Lange waren Hans Huwers Arbeiten im Saarland nicht mehr zu sehen. Zuletzt war er 2017 im Kunstverein Dillingen zu Gast. Die Frage, warum sein Werk hier so selten zu sehen ist, kann er selbst kaum beantworten. Ein bescheidener Mensch wie Huwer geht wohl unter in einer Welt, die zunehmend von der Selbstinszenierung lebt. Umso glücklicher ist man nun, wenn man das künstlerische Werk in Saarlouis entdecken darf. Und das ist faszinierend.
Huwers prägnantes Werk ist seine Serie „Kosmos“. Zwischen 2004 und 2024 arbeitete er jeden Morgen an einem Werk der Serie. Manchmal entstanden nur ein oder zwei Arbeiten pro Woche, in anderen Wochen waren es auch mehr. Mit wissenschaftlicher Akribie arbeitet er sich am Material ab, schuf Karteikästen voller experimenteller Testkärtchen. Die Grundvoraussetzungen waren immer dieselben. In Museumkarton mit einer Stärke von vier Millimetern schnitt der Künstler orthogonale Raster aus Quadraten von acht Millimetern Kantenlänge. Dann trug er auf das Raster rechteckig Bindemittel mit einer normierten Pipette auf und tropfte anschließend Farbe auf: „Ich mische Farben auch von unterschiedlichen Herstellern. Manchmal nur ein Tropfen, ein anders Mal auch mehrere, bewegungslos gesetzt. Die Farbe reagiert sehr unterschiedlich, verläuft, zieht sich an oder stößt sich ab oder wandert über das Bindemittel“, erklärt Huwer. So entstanden neun Quadrate, die ziemlich genau sieben mal sieben Quadrate des Grundrasters umfassen. Zwanzig Jahre lang hat er an dieser Serie gearbeitet, hat mit unterschiedlichsten Farben und Herstellern experimentiert.
Anfangs waren die Grundraster noch gezeichnet und wurden wegradiert, später ging der Künstler zum Schneiden über. Der Grund? „Das Verleugnen von Techniken gab mir ein ungutes Gefühl“, so Huwer. „Ich wollte die Schritte sichtbar halten und es wurde im Laufe der Zeit zum bewussten Gestaltungsmittel.“
Genauso wie der Zufall, der zum wesentlichen Gestaltungselement wurde. Auch wenn er durch akribische Vorbereitung und ein enges Regelwerk feste Vorgaben schuf, war der Zufall werkimmanent. Auch Huwer selbst kann die entstandenen Arbeiten nicht reproduzieren und ist nicht selten überrascht, was am nächsten Morgen nach Trocknung der Farbe im Atelier entstanden war. Ein schier endloser Kosmos aus Form und Farbe ist so über die Jahre gewachsen.
Dass Huwers Methodik an Oskar Holweck erinnert, ist kein Zufall. Der in Spiesen-Elversberg lebende Künstler studierte an der Fachhochschule Saarbrücken (heute HBKsaar) im Fachbereich Design bei Holweck, später dann Grafik bei Robert Sessler. Von Holweck habe er Disziplin, eisernen Willen und die Demut vor dem Material gelernt. Tatsächlich ist es gerade das disziplinierte Abarbeiten am Material, was die beiden Künstler eint.
Direkt nach der Holweck‘schen Grundlehre arbeitete Huwer dann im Studium gegenständlich. Doch das wurde ihm zu langweilig: „Ich wollte sehen, ob ich realistisch malen kann. Schnell habe ich aber gemerkt, dass ich nur ein Abbild der Wirklichkeit schaffe und das hat mich zum Gähnen gebracht. Ich äffte die Natur nach.“ Es habe ihm immer am meisten Spaß gemacht, wenn etwas entstanden sei, was er nicht geahnt habe: „Ich fing dann ganz von vorne an und habe mir überlegt, was kann ich tun?“ Nach seinem Abschluss begann er Ende der 1970er-Jahre mit dem Bleistift Raster zu zeichnen und setze mit flüssiger Tuschefarbe Punkte, die dann ineinanderflossen. Die Farbe bröckelte und die Linien wurden sichtbar. Die Grundlage für „Kosmos“ wurde in diesem Moment gelegt.
Im vergangenen Jahr gab Huwer die Serie überraschend auf. Wehmütig sei er nicht, denn Kosmos hab einen immer größeren Raum im Werk eingenommen, nun sei Luft für Neues: „Das Projekt nahm immer mehr Zeit ein und erdrückte die restliche Arbeit ein bisschen“, schildert Huwer. Obwohl man sicher sein darf, dass er weiter neugierig mit dem Material umgehen wird. Man sieht das schon in der Saarlouiser Ausstellung.
Aufregend sind zwei Großformate an einer Seite des Ausstellungsraumes. Auch hier legte der Künstler mit dem Cuttermesser ein Raster als Grundlage und tröpfelte mehrere Schichten Farbe auf. Nach der Trocknung zog Huwer mit dem Messer das Raster nach und schnitt mit dem Messer einmal diagonale und einmal wellenförmige Linien in die Farbe. Es kommt zu Abplatzungen, Schichten der darunterliegenden Farbe werden sichtbar oder das Weiß des Malgrundes blitzt auf. Geht ein Schnitt schief, ist das Werk futsch. Langweilig wird mit diesen Experimenten weder ihm noch dem Publikum werden.
„Hans Huwer: Kosmos“, bis 24. August 2025, Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Saarlouis
Öffnungszeiten:
Di–Fr 10–17 Uhr, So 14–18 Uhr