Mona Breede, The Tale (Ausschnitt), 2018 u. 2021, New York, Fotografie, 62 x 185 cm, © Mona Breede
Mona Breede, The Tale (Ausschnitt), 2018 u. 2021, New York, Fotografie, 62 x 185 cm, © Mona Breede
12. Oktober 2021

Die inszenierte Stadt

Die Städtische Galerie Neunkirchen zeigt Arbeiten der Karlsruher Fotografin Mona Breede. 

Die hintere Wand im Ausstellungssaal der Städtischen Galerie in Neunkirchen ist mächtig. Mit sechs Metern Höhe und vierzehn Metern Länge ist sie nicht ganz einfach zu bespielen, insbesondere dann nicht, wenn die ausstellende Künstlerin die Wand mit einem einzigen Werk bespielen möchte.

Die Fotografin Mona Breede hat es trotzdem gewagt und das war gar nicht so einfach. Breede wollte für Neunkirchen ein ortsabhängiges Werk schaffen. Anfangs, so erzählt Galerieleiterin Nicole Nix-Hauck, seien die beiden die Halden der Region abgelaufen und waren auf der Suche nach passenden Hintergrundmotiven. Doch Breede war unzufrieden und entschloss sich, die Stadt selbst zum Hintergrund der Handlung zu machen.

Das war auch naheliegend, denn Breedes Fotografien sind Ansichten von urbanen Räumen. Sie sind aber keine Momentaufnahmen, sondern konstruierte Wirklichkeit oder Inszenierungen, wie es Breede lieber nennt. Die Stadt wird zur Bühne vor deren architektonischer Kulisse die Menschen agieren. Für ihre Bilder setzt die Fotografin Elemente aus verschiedenen Einzelfotos zusammen. Sie nimmt den Hintergrund auf, der meist aus großflächigen Wänden oder Mauern besteht und kehrt dann mehrmals zum Ort zurück, um die Menschen dort zu beobachten und abzulichten. Am Computer choreografiert sie dann ihr sehr persönliches Bild von der Stadt und ihren Menschen.

Die Fotografin beschreibt es als „Verdichtung von Einzelfotos“ zu einem Moment, der ihren subjektiven Blick auf die Stadt wiedergibt. Die Illusion gelingt perfekt, denn es ist nahezu unmöglich, die Komposition des Werkes zu entlarven. Die Eingriffe sind subtil und nicht zu erkennen. Es ist aber trotzdem nicht Absicht der Fotografin, den Betrachter zu verwirren und uns vor Augen zu führen, dass Bilder lügen können. Ihre Intention ist eine andere und sie nutzt die Möglichkeiten der Fotografie für ihre Zwecke.

Mit ihrer Ästhetik dringt die 1968 in Kiel geborene Breede in die Welt zwischen Wirklichkeit und individueller Wahrnehmung ein. Sie entwirft ein sehr charakteristisches zugleich aber auch individuelles Bild der jeweiligen Stadt. Häufig erkennt man die Städte auf Anhieb, obwohl die Stadtansichten der realen Topografie nicht unbedingt entsprechen. Aber Breede zitiert signifikante Gebäude oder Blickwinkel auf die Architektur der Stadt. Sie verwebt unterschiedliche Aufnahmepunkte multiperspektivisch miteinander. Vor diesem Panorama installiert sie ihre Personen in Gruppen oder einzeln, lässt sie durch den Raum hasten, an Bushaltestellen herumstehen oder auf das Smartphone starren. Nichts ist dabei dem Zufall überlassen.

In den Bildern wird eine subtile Spannung fassbar. Alles passt wunderbar zusammen und ist doch nicht stimmig. Das Licht ist bühnenhaft perfekt, die Szenerie fast steril, die Fotografien ein detailreicher Teppich aus Fragmenten und Geschichten. Architektur und Stadtmöblierung strukturieren die Bilder streng. Doch die Menschen scheinen nie so ganz zum Ort zu gehören, wirken isoliert, in sich gekehrt und dem urbanen Leben entrückt. Fast surreal herrscht trotz der Geschäftigkeit eine bedrückende Stille. Nicht selten erinnern die Fotografien mit ihrer ruhigen Atmosphäre an die melancholischen Gemälde von Edward Hopper.

In ihrer aktuellen Wandarbeit zu Neunkirchen bricht Breede erstmals mit der perfekten Illusion. Auf den ersten Blick wird erkennbar, dass dies eine Collage ist, die mit flächigen, malerischen Elementen angereichert wurde. Ein kreisrunder gelber Platz mit drei Denkmälern ist Mittelpunkt der Szenerie. Um ihn herum gruppiert Breede „Sehenswürdigkeiten“ der Stadt. In einem ausgeklügelten Arrangement lässt die Fotografin ein Sammelsurium von Einwohnerinnen und Einwohnern auftreten, die sie auf ihren zahlreichen Streifzügen abgelichtet hat. Aus der ungewohnten Perspektive wird die Stadt neu erlebbar.

Mona Breede will zum Diskurs anregen. Die mehr als 30 gezeigten Arbeiten der Fotokünstlerin sind stille Beobachtungen des urbanen Lebens. Herauslesen lässt sich eine tiefe Auseinandersetzung mit der menschlichen Existenz, aber auch ein Aufzeigen gesellschaftlicher Entwicklungen und die Frage danach, wie lebenswerte Städte aussehen könnten.

„Mona Breede: Urban Stories“, bis 28. November 2021, Städtische Galerie Neunkirchen

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