Lovis Corinth, Walchensee, Blick auf Wetterstein
Lovis Corinth, Walchensee, Blick auf Wetterstein, 1921, Saarlandmuseum, Foto: Saarlandmuseum/Tom Gundelwein
22. November 2021

Ein Fest der Farben

Die Moderne Galerie feiert Lovis Corinth und dessen Ehefrau Charlotte Berend-Corinth

Lovis Corinth fasziniert wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit. Vielleicht liegt das daran, dass er es meisterhaft verstand, sich allen Ismen der Klassischen Moderne zu entziehen und ihm damit der Hauch des Revoluzzers anhängt. Wie viele andere Künstler haderte Corinth mit der akademischen Malerei und der Vorstellung vom Idealbild. Erschloss sich den Avantgarde-Strömungen seiner Zeit aber nicht an, sondern beschritt seinen eigenen Weg und entzog sich so den Schubladen des kunsthistorischen Kanons. Es ist aber wohl vor allem sein vor unbändiger Lebenslust strotzendes Werk, was ihn so außergewöhnlich macht.

Corinth war kein Kostverächter, soll gerne getrunken haben und auf Berliner Festen häufiger Gast gewesen sein. Mit zunehmendem Alter setzten aber auch Depressionen und Todesängste ein, die spätestens mit einem Schlaganfall im Jahr 1911 offensichtlich wurden. Sein Werk erzählt davon oberflächlich gesehen nur am Rande in den Darstellungen aus Schlachthöfen, in denen das tote Fleisch und die aufgeschlitzten Tierkadaver von der Vergänglichkeit des Lebens künden. Doch muss man wohl seine Arbeit vor allem als melancholische Huldigung des Lebens sehen.

Die Ausstellung „Das Leben – ein Fest“ in der Modernen Galerie zeigt in acht Kapiteln präzise, dass Corinths Arbeiten malerische Grenzgänge zwischen Stilen sind, mal impressionistisch in der Darstellung von Licht und Farben, dann expressionistisch im Pinselstrich und Farbwahl, dann wieder schwelgte Corinth fast schon nüchtern im Realen. Manchmal malte Corinth fast zart mit lasurhaftem Farbauftrag, dann wieder scheint das Material auf den Malgrund gespachtelt zu spachteln. Das alles betont Kuratorin Kathrin Elvers-Svamberg klug mit dem Grau der Wände.

Betörend schön sind die Aktbilder, die immer wieder von brutaler Offenheit sind, ohne je anzüglich oder vulgär zu wirken. Ein Höhepunkt seines Schaffens ist zweifellos der „Liegende weibliche Akt“ von 1907 in dem Corinth eine Körperlandschaft auf die Leinwand bannt, ähnlich auch in „Die Nacktheit“ aus dem folgenden Jahr. Grandios auch die späten Bilder vom Walchensee, wohin sich die Familie immer wieder zurückzieht. 

Beliebtestes Modell ist Corinths Frau Charlotte. Sie ist Muse des Künstlers, Geliebte und Managerin. Sie hält ihn, wenn es ihm schlecht geht und förderte seine Karriere. Was kaum jemand weiß: Sie ist selbst Künstlerin gewesen. Berend-Corinth ist vielleicht nicht die im Ausstellungstitel versprochene Wiederentdeckung, aber zumindest selten gezeigte Künstlerin. Nein, die künstlerische Qualität ihres Mannes hatte sie nicht. Stark ist sie immer dann, wenn sie Anleihen bei ihrem Mann nimmt und etwa in „Die schwere Stunde“ aufgewühlt eine Gebärende malt. Thema und Ausführung sind geradezu brutal offen und erinnern frappierend an den Stil des Gatten.

Zweifelslos war Berend-Corinth eine herausragende Malerin und Zeichnerin. Ihr Oeuvre ist vor allem deshalb faszinierend, weil es weibliche Themen aufnimmt und uns die Welt zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus Sicht einer Künstlerin zeigt. Hervorragend sind die grafischen Mappen, die mal die Mimik des Schauspielers und Sängers Max Pallenberg wiedergeben, dann die Körperlichkeit der Tänzerinnen Anita Berber und Valeska Gert. 

Lovis Corinth, Das Leben, ein Fest!“ und „Charlotte Berend-Corinth, Wiederentdeckt!“, bis 20. Februar 2022, Moderne Galerie, Saarbrücken

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

NACH OBEN