Die Künstlerinnen und Künstler hatten es im Saarland nie leicht. Als künstlerische Provinz belächelt, mussten sie sich nicht nur in Deutschland behaupten, sondern auch im eigenen Ländchen. Tatsächlich war die saarländische Kunstszene nach dem Ersten Weltkrieg provinziell. Unter Völkerbundmandat und französischer Verwaltung war das Land vom Rest des Deutschen Reiches abgekoppelt. Es gab weder einen Ausbildungsort für die Kunstschaffenden noch besonders viele Ausstellungsorte oder ein großes Kunstinteresse. Eine kleine Gruppe von Künstlern wollte das ändern und gründete im Jahr 1922 den „Bund Bildender Künstler an der Saar“ im „Gasthaus Zum Kronprinzen“ in der Hohenzollernstraße in Saarbrücken. Selbstbewusst wollte man sich präsentieren und für bessere Verhältnisse kämpfen.
100 Jahre ist das nun her und die inzwischen zum Saarländischen Künstlerbund umbenannte Vereinigung nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, im Künstlerhaus eine Ausstellung auszurichten. Es ist ein wahres Panoptikum entstanden, das wie ein geöffnetes Archiv anmutet. Natürlich steht die Kunst selbst im Vordergrund, doch die Ausstellung lässt einen tiefen Blick in die Geschichte des Künstlerbundes zu. In der Ausstellung wird schnell deutlich, welche Bedeutung der Saarländische Künstlerbund für die Kunstgeschichte des Landes hat. Nicht nur die wichtigen Debatten des Landes zur Kunst bestimmte der SKB entscheidend mit, die meisten bedeutenden Künstler des Saarlandes waren Mitglied. Die Liste der Verblichenen liest sich wie ein Who’s Who der Kunstszene: August Clüsserath, Boris Kleint, Mia Münster, Oskar Trepte, Otto Weil, Richard Wenzel und Fritz Zolnhofer sind nur einige der glanzvollen Namen, die auch weit über die Region hinaus bekannt sind.
Welche Qualität in der saarländischen Kunst steckte und steckt, beweist die Ausstellung eindrucksvoll. Sie hätte einen Platz in der Modernen Galerie mehr als verdient. In den ersten Jahrzehnten noch stark vom französischen Einfluss geprägt, emanzipierten sich die Künstlerinnen und Künstler nach dem Zweiten Weltkrieg und schufen einen ganz eigenen Kosmos aus französischen und deutschen Einflüssen. Zum Bruch innerhalb der Künstlerschaft kam es 1960 als sich die Vertreter der konstruktiv-konkreten Kunst in der „neuen gruppe saar“ ein eigenes Forum schufen. Heute ist das Schnee von gestern, längst herrscht wieder ein lebendiger Stilpluralismus.
Die Arbeiten der Kunstschaffenden waren in den Jahren nach beiden Weltkriegen jeweils stark von der französischen Verwaltung des Landes geprägt, die bemüht war, das Saarland an Frankreich zu binden. So erhielten nicht wenige Künstlerinnen und Künstler ein Stipendium an französischen Kunsthochschulen. Viele wandten sich dem Kubismus oder Surrealismus zu und übernahmen Ideen, wie eine eigene Wand im Künstlerhaus beweist. Aber auch zwischen den übrigen Arbeiten finden sich solche Werke, wie etwa Clüsseraths grandioser „Kopf“ von 1953 oder der „Ecce homo (Der Tyrann)“ aus dem Jahr 1951. All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die weltweite Tendenz zur Abstraktion ab den 1930er Jahren, die sich ausgehend von Abstrakten Expressionisten in den Vereinigten Staaten und dem Informel ausbreiteten, am Saarland vorbeigingen und diese Stile erst in den 1950er Jahren mit der Wiederangliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik wirklich aufkamen. Die Mitglieder des Künstlerbundes arbeiteten vor allem figurativ, das aber durchaus mit Qualität. Zauberhaft etwa das „Stillleben mit rotem Hahn“ von Otto Weil (schon 1910 entstanden), wunderbar das expressive „Unterholz“ (1922) von Richard Becker oder die „Haldenlandschaft“ von Fritz Zolnhofer.
In der Galerie des Künstlerhauses arbeitet der Künstlerbund die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, zeigt Lackenmacher, Steitz, Butzbach und Ohlmann, mit Lukas Kramer und Volker Lehnert aber auch zwei aktuelle Mitglieder, denen damit eine besondere Ehrung zuteilwird. Sie prägten den Künstlerbund und die Kunstszene des Saarlandes in dieser Zeit nachdrücklich.
Nicht nur die Präsentation der Werke ist gelungen, die Mitglieder des Künstlerbundes haben sich bemüht, eine Ausstellung zu schaffen, die zum Eintauchen in die Geschichte einlädt. In der ansprechend gestalteten Schau hängen kleine „Karteikästen“, über die Interviews mit langjährigen Mitgliedern des Künstlerbundes und der Kunsthistorikerin Cornelieke Lagerwaard abrufbar sind. Man kann in alten Katalogen blättern, Berichte des Saarländischen Rundfunks anschauen und in der Korrespondenz des Bundes lesen. Dort erfährt man von den Höhen und Tiefen des SKB, von Konflikten und Kämpfen mit Politik und Kollegen. Ein spannender Einblick.100 Jahre Saarländischer Künstlerbund, bis 4. September 2022, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken