Kunstpreis Robert Schumann 2021: Installationsansicht, Akosua Viktoria Adu-Sanyah, Foto: Oliver Dietze
24. November 2021

„Eine wundervolle und wahnsinnige Ausstellung“

In Saarbrücken wurde am 19. November 2021 der Robert-Schuman-Preis vergeben. Den Preis erhielt Akosua Viktoria Adu-Sanyah für eine besondere Arbeit.

In kaum einer länderübergreifenden Region Europas sind Kunst und Kultur so dicht und lebendig wie in Großregion Saar-Lor-Lux und den vier QuattroPole-Städten Trier, Luxemburg, Metz und Saarbrücken. Und doch ist man von einem wirklichen Zusammenwachsen weit entfernt. Eines der wenigen Leuchtturmprojekte ist der Robert-Schuman-Preis. Der wird seit 1991 alle zwei Jahre von den QuattroPole-Städten an Kunstschaffende vergeben, die der Großregion eng verbunden ist. Die Kuratorinnen und Kuratoren aus den vier Städten schlagen je vier Kunstschaffende vor. Eine achtköpfige Jury kürt dann die Preisträgerin oder den Preisträger.

Austragungsort ist jeweils eine der Städte und in diesem Jahr ist dies Saarbrücken. Am Freitagabend wurde im Pingussonbau die Siegerin verkündet. Der als öffentliche Veranstaltung geplante Abend wurde aufgrund der Pandemielage kurzfristig abgesagt und der Preis in kleinem Kreis vergeben. Saarbrückens Oberbürgermeister Uwe Conradt würdigte in seiner Begrüßungsrede den Schuman-Preis. Er lobte die enge Zusammenarbeit der Kunst-und Kulturschaffenden der Region und unterstrich die Bedeutung des Preises als Plattform für Künstlerinnen und Künstler. Kuratorin und Stadtgalerieleiterin Katharina Ritter berichtete begeistert vom intensiven Austausch, erzählte von den lebhaften Diskussionen der Jury und von den Herausforderungen, gute Kunst angemessen zu kuratieren.

Schließlich wurde es spannend und Stadtgalerie-Mitarbeiterin Katja Pilisi durfte die Siegerin verkünden. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis gewann die 31-jährige Akosua Viktoria Adu-Sanyah, die heute in Zürich lebt, aber in Saarbücken an der HBK Saar Media Art & Design studiert hat. Die fotografischen Arbeiten von Adu-Sanyah überzeugten die Jury, weil die Künstlerin in jedem Werk eine Geschichte erzähle, die sie erfahrbar mache. Intensiv setzt sich Adu-Sanyah mit der eigenen Herkunft und Geschichte auseinander und erzähle von den Schwierigkeiten und Problemen der eigenen Identität als Deutsche mit schwarzer Hautfarbe.

Adu-Sanyah hat einen ghanaisch-stämmigen Vater und eine deutsche Mutter. Ihre Installation „Inheritance – Poems of Non-Belonging“ geht unter die Haut, weil sie sehr persönlich erzählt und Rassismus direkt erfahrbar macht. Etwa wenn sie ein altes Foto des Urgroßvaters in Wehrmachtsuniform zeigt. Was wohl hätte er zu seiner Urenkelin gesagt? Oder wenn sie die Eltern in Schwarzweiß-Porträts nebeneinandersetzt. Die Mutter ist leicht überbelichtet seitlich abgebildet, der Vater schaut am Betrachter vorbei ins Nirgendwo. Leise erzählt die Künstlerin ihre Familiengeschichte. Adu-Sanyah stellt sich und uns Fragen nach Identität und Zugehörigkeit und hinterfragt familiäre und kulturelle Herkunft und deckt Rassismus in unserer Gesellschaft auf.

Spannend sind die „fotografischen Skulpturen“, die ein Abbild der Haut der Künstlerin sind. Etwa indem sie Barytfotopapier mit weißem Licht beleuchtet. Das entstehende Tiefschwarz knittert Adu-Sanyah und lässt so das Licht der Ausstellungsbeleuchtung auf der Oberfläche stellenweise weiß reflektieren. Einfacher lässt sich Adu-Sanyahs Herkunft und Identität in all ihren Nuancen kaum darstellen. Grandios auch „Stone“, ein Stück Bouretteseide, dass in lichtempfindliche Chlorbromidemulsion getaucht wurde und anschließend mehrfach mit Makroaufnahmen der Haut der Künstlerin belichtet wurde. Die Künstlerin knüllt den Stoff anschließend und „fesselt“ ihn mit einem dünnen weißen Faden.

Adu-Sanyahs Installation ist zweifellos die stärkste der gezeigten Arbeiten. Die 16 Künstlerinnen und Künstler zeigen aber viel Spannendes, so dass in Stadtgalerie und Saarländischem Künstlerhaus ein wunderbares Kaleidoskop des aktuellen Kunstgeschehens der Großregion zustande gekommen ist. Wie immer großartig die Arbeiten des Künstlerduos Dyffort & Driesch (Trier), das auf dem Balkon der Stadtgalerie das Gras wachsen hören lässt oder Florian Huths (Saarbrücken) skulpturale Objekte, die nicht nur höchst ästhetisch sind, sondern auch die Frage nach Wert und Authentizität von Kunst im Zeitalter digitaler Reproduktion stellen. Ausgezeichnet auch Arny Schmits (Luxemburg) Beiträge. Kern der Installationen sind monochromatische Malereien auf mehrschichtigen Kartonpappen. Schmit malt Ansichten von ungezähmter Natur, die bei näherem Hinsehen aus Dunkelgrün geschmiert und gekratzt wurden. LED-Leuchtröhren stehen für Urbanität und technische Moderne, verbinden die Werke mit dem Raum und bilden einen harten Kontrast.

Natürlich gibt es auch kleine Enttäuschungen. Etwa Julien Hübsch, der mit seinen Arbeiten der vergangenen Jahre zweifellos zu den herausragenden jungen Künstlern der Großregion gehört. Für den Robert-Schuman-Preis zeigt er eine eher unspektakuläre Neon-Installation in der Stadtgalerie und eine etwas uninspirierte Szenerie im Keller des Künstlerhauses. Hübsch spielt dort mit den gelben Fahrbahnmarkierungen von Baustellen. In einem rhythmischen Stakkato setzt er sie mal dichter und mal weiter nebeneinander, lässt die Bänder brechen und sich winden. Was als Intervention im öffentlichen Raum wunderbar funktioniert hätte, geht im musealen Raum unter.

Nichtsdestotrotz ist hier eine „wundervolle und wahnsinnige Ausstellung“ entstanden, wie Katharina Ritter in ihrer Eröffnungsrede ein Jurymitglied zitiert, die vor allem zeigt, welches künstlerische Potenzial die Großregion birgt.

Robert-Schuman-Preis 2021, Stadtgalerie und Saarländisches Künstlerhaus, bis 9. Januar 2021

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