Was haben der bildende Künstler Sigurd Rompza und der Lyriker Eugen Gomringer gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Der eine arbeitet mit Form und Farbe, der andere mit Worten. Dass es so einfach nicht ist, beweist die Ausstellung „bildspiele – sprachspiele. Sigurd Rompza im Dialog mit Eugen Gomringer.“
Ausgangspunkt der Ausstellung war eine Idee von Kuratorin Kathrin Elvers-Svamberk: „Wir wollten Sigurd Rompza als einen der großen Künstler des Landes zu seinem 80. Geburtstag in diesem Jahr mit einer Ausstellung ehren.“ Klar war sowohl Kuratorin als auch Künstler recht schnell, dass es keine reine Werkschau werden sollte. Die gab es vor zwei Jahren auch gerade erst im Saarlouiser Institut für aktuelle Kunst. Es lag nahe, den vor wenigen Wochen verstorbenen Gomringer mit einzubeziehen, denn auch er feierte in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag und die beiden pflegten seit Jahrzehnten eine Freundschaft.
Der Schweizer hatte schon immer eine große Nähe zur Kunst. Gomringer studierte Volkswirtschaft und Kunstgeschichte in Bern und Rom, arbeitete in den 1950er Jahren als Sekretär von Max Bill an der Hochschule für Gestaltung in Ulm, später dann als Professor für die Theorie der Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf. Aus dieser Nähe zur bildenden Kunst erwuchs die Konkrete Poesie, als deren Begründer Gomringer gilt.
Der Lyriker löste die Worte aus ihrem Bedeutungszusammenhang und ihrer Funktion und gestaltet sie visuell und akustisch. Die Sprache bekommt so dieselbe Materialität wie ein Zeichen mit eigenem ästhetischem Wert. Rhythmus und Klang stehen gleichberechtigt neben dem Wortsinn. So entstehen nicht nur Sprach-, sondern Bildspiele im wahrsten Sinne des Wortes. Zehn Gedichte aus der Werkgruppe der „Konstellationen“ hat das Museum ausgewählt und schafft es, diese in einen echten Dialog mit den Wandobjekten zu bringen.
Gomringer kannte und schätzte das Werk von Rompza und hielt gelegentlich sogar Laudationen zu den Arbeiten des Künstlerfreundes. In der Ausstellung wird das offensichtlich im Gedicht „sigurd rompza“, das dessen Werk und Ideen in wenigen Worten treffend beschreibt.
Dabei ist Rompzas Werk nicht einfach zu charakterisieren. So schlicht die Arbeiten oft auch wirken, offenbaren sie bei näherer Betrachtung ein tiefes Verständnis von Form und Farbe und eine ausgeklügelte Komposition. Der Künstler kommt aus der Konkreten Kunst und wird ihr bis heute zugerechnet. Das greift aber zu kurz. Die Konkrete Kunst versucht alles Subjektive zu bannen und die Bildwirkung mit mathematischer Genauigkeit zu erfassen. Anklänge an konstruktiv-konkrete Ideen lassen sich auch bei Rompza finden, doch hat der die mathematische Präzision zugunsten sensitiven Erfassens aufgegeben. Die wissenschaftliche Neugier und Akkuratesse ist aber geblieben.
Der aus Bildstock stammende Künstler ist heute mehr Konzept- als Konkreter Künstler. Insbesondere die sinnliche Erfassung der Kunst spielt bei ihm eine große Rolle. Die Arbeiten sind vor allem ein Angebot zum Sehen, wie Rompza beschreibt: „Ich sehe meine Arbeit als Einladung zum Hinschauen.“ Lässt man sich darauf ein, sind die Werke mindestens so poetisch wie Gomringers Lyrik bildhaft ist.
Rompzas Arbeiten muss man nicht hinterfragen oder verstehen, wie der Künstler selbst betont. Sie erzählen keine Geschichten, sondern sind intensive Auseinandersetzung mit Form und Farbe sowie mit Raum und Fläche und dem Material. Und man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Künstler spielt mit der Form, hebt diese von der Wand ab oder lässt sie über die Farbe darin versinken und bezieht den Schattenwurf immer wieder ein. Deshalb ist die Lichteinstellung in Rompza-Ausstellungen auch existenziell wichtig und die Saarbrücker Schau exzellent ausgeleuchtet.
Man kann in den beiden Räumen im neuen Anbau viel sehen oder wie Elvers-Svamberk es ausdrückt: „Man kann hier große Abenteuer erleben!“ Tatsächlich sind die 60 Werke meisterhaft und die Ausstellung sicher eine der schönsten des saarländischen Ausstellungsjahres. Aber man braucht Zeit und muss ich diese nehmen, um intensiv zu schauen. Etwa die doppelt gelegten Rauten, die über die reduzierte Farbwirkung immer wieder Neues offenbaren und anders wirken. Oder in den drei Wandplastiken „farb-licht-modulierung 2016-7“. Man bewegt sich davor von links nach rechts und wieder zurück. Form, Farbe und Fläche scheinen in Bewegung zu sein und sich ständig zu verändern. An der hinteren Stirnseite zeigt das Museum dann 28 Tafeln aus den letzten vier Jahren, die äußere Form der Fläche, Farbe und Linie in Bezug zueinander setzen und erstaunlich vielfältig sind. Ein Seh-Abenteuer eben!
„bildspiele – sprachspiele. Sigurd Rompza im Dialog mit Eugen Gomringer“, Moderne Galerie Saarbrücken, bis 29. März 2026, Zur Ausstellung erscheint ein Booklet, außerdem wird ein umfangreiches Rahmenprogramm angeboten.