Die Grenzen zwischen Kunsthandwerk und Kunst sind fließend, auch wenn viele Künstler über die Kollegen von der angewandten Kunst eher die Nase rümpfen. Umso erstaunlicher, dass das Künstlerhaus in Saarbrücken nun Kunsthandwerk zeigt. Gemeinsam mit dem Berufsverband „Handwerk, Kunst, Design Saar“ hat man die Mitglieder des Verbandes dazu aufgerufen, Werke zu schaffen, die aus dem Rahmen der üblichen Arbeitsweise fallen. Viele Kunsthandwerker sendeten ihre Experimente ein, die dann von einer Jury für die Ausstellung „Wunderbar unverkäuflich“ ausgewählt wurden. Die Arbeiten reichen von Malerei über Keramik bis zu Holz- und Textilarbeiten und zeigen sehr genau, wo das Handwerk endet und die Kunst beginnt. Aber nur wenige Arbeiten überzeugen auch künstlerisch.
Grandios etwa Helmut Franks zarte Porzellanschalen, die tatsächlich keinen Verwendungszweck haben. Oder die Tassen von Lyn Riccardo, die miteinander verbunden zu skulpturalen Objekten werden. Auch Yolanda Wagners „2846 Cent incl. Mehrwert“ ist gelungen. Es ist ein reptilienhaftes Objekt aus gedehnten Cent-Münzen, die sich schuppig überlappen. Innen schimmert es bläulich.
Künstlerisch spannend wird es im Studio. Hier präsentiert der Saarländische Künstlerbund sein Mitglied Eva Walker. Schon für 2020 geplant, konnte die Ausstellung aufgrund der Corona-Pandemie erst jetzt stattfinden. Walker wurde 1981 in Heidelberg geboren, wuchs im Saarland auf, studierte Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein und der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Im Jahr 2018 kam sie zurück ins Saarland, bezog im vergangenen Jahr ein Atelier im KuBa und ist seit kurzem künstlerische Leiterin der Druckwerkstatt an der Hochschule der Bildenden Künste Saar.
Walker arbeitet ausschließlich mit Druckgrafik und Zeichnung. Meisterhaft versteht sie es in ihren vorwiegend schwarz-weißen Arbeiten rätselhafte Bildräume entstehen zu lassen. In der Serie „Echo“ nutzt sie geometrische Elemente, die in ihrem abstrakten Kosmos nichts Gegenständliches haben, sondern als Metaphern für Sortierung und Ordnung stehen. Das Besondere der Bilder ist die Arbeitsweise von Walker, die in dieser Serie immer ein zweites Blatt Papier unter das Zeichenpapier legt. Da sie randlos zeichnet, kommt es zu Spuren der Zeichnung auf dem darunterliegenden Blatt, die sie im nächsten Schritt dann aufnimmt und weiterbearbeitet. Den Zeichnungen sind immer Bezüge zur vorangegangenen Arbeit immanent und die Bildidee zieht sich von Werk zu Werk. Immer wieder testet sie die Grenzen von Material und Idee, setzt dem widerständigen Papier rohe Gewalt entgegen, bis es sich aufraut und eine fast verwittert scheinende Oberfläche entsteht, die schon mal löchrig wird. Auch so entstehen Spuren auf dem Blatt darunter.
Deutlich reduzierter sind die Radierungen der Serie „Vermessung“. Zarte weiße Linien kriechen und wuchern auf schwarzem Papier. Ein erster Höhepunkt ihres Schaffens ist „Vermessung_50“ aus dem Jahr 2016. Zehn großformatige randlose Radierungen liegen aneinandergereiht auf einem Tisch, der quer durch den Raum reicht. Geht man um das Werk herum, scheint es sich stetig zu wandeln und pulsierend in den Raum zu wachsen. Bilder tauchen auf und verschwinden.
Im Hinblick auf den Titel deutet man das Liniengewirr vorschnell als Landkarte, tatsächlich geht es aber um die Vermessung des Menschen. Walker hat sich in Bibliotheken anatomische Studien des Menschen angeschaut und diese dann aus der Erinnerung auf die Druckplatten aufgebracht. Mit diesem Wissen meint man Röntgenbilder in dem Werk zu erkennen. Wie Schichtungen einer Computertomographie überdruckt die Künstlerin dann stellenweise die schon vorhandenen Linien. So entstehen Brüche in der Arbeit, harte Kanten, Wiederholungen oder die Farbe kulminiert. Die gleichen Druckplatten nutzt sie anschließend für andere Bilder und so kommt es zum Weitertragen der Bilder in die Werke der Serie „Interferenz“. Hier ergänz sie die weißen Filamente durch Farbigkeit und flächig-biomorphe Gebilde. Walkers Werke sind nicht nur formalästhetisch ansprechend, sondern auch von einer tiefen Intellektualität geprägt.
Im Keller des Künstlerhauses präsentiert Nathalia Grotenhuis mit „Die vier Elemente“ eine Installation mit Audio- und Video-Elementen, in der es sich wunderbar über die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser, Luft sinnieren lässt. Welche Geräusche machen diese eigentlich? Und welche Rolle spielen die Elemente heute in unserer durchtechnisierten Welt noch? Die Antwort darauf muss jeder selbst finden.
Alle Ausstellungen bis 15. August 2021, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken