Es sind aufregende Tage für den in Sulzbach lebenden Bildhauer Martin Steinert. Ab 15. November wird er mit einer neuen „Wooden Cloud“ bei der 15. Kunstbiennale in der kubanischen Hauptstadt Havanna vertreten sein. Die Biennale genießt einen ausgezeichneten Ruf, obwohl sie in dem autoritären Staat stattfindet. Neben der Biennale von São Paulo zählt sie zu den bedeutenden Biennalen in Lateinamerika.
Dass ein saarländischer Künstler zu solch einer großen Schau eingeladen wird, ist ungewöhnlich, denn die Kuratoren der großen Biennalen „fischen“ in internationalen Gewässern, sie haben ein endloses Repertoire an hochkarätigen Künstlerinnen und Künstlern zur Auswahl. Das Steinert teilnimmt, ist der Nominierung des deutschen Botschafters auf Kuba zu verdanken.
Größter Kritikpunkt an der Biennale ist die staatliche Zensur, denn die kubanische Regierung sichert sich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Künstler und ihrer Werke. Nichtsdestotrotz hat sich die Biennale seit ihrer ersten Ausgabe vor 40 Jahren einer politischen Kunst verschrieben. Die Kritik am kubanischen Regime und den Lebensverhältnissen im Land wird aber sehr subtil verpackt, die Künstlerinnen und Künstler spielen ein Katz-und-Maus-Spiel mit den staatlichen Zensoren.
Kurator Nelson Ramírez de Arellano war von der Idee sofort begeistert, nur die kubanische Regierung musste überzeugt werden. Doch es gab schnell andere Probleme. In Kuba herrscht ein Mangel an Baustoffen: „Genügend Dachlatten zu bekommen, war unmöglich“, erzählt Steinert und führt aus: „Ein Vorschlag der Biennale-Macher war Bambus. Ich war einverstanden, erfuhr aber später, dass auch Bambus nicht beschafft werden konnte.“ Ein neuer Vorschlag waren Palmwedel, denn davon gibt es genügend auf Kuba.
Doch eine „Wooden Cloud“ aus Palmwedeln war dann doch auch für Steinert keine Option, schon wegen des ästhetischen Ansatzes, vor allem aber, weil der partizipative Grundgedanke, dass Menschen ihre Wünsche und Sehnsüchte auf dem Holz verewigen dürfen, damit hinfällig gewesen wäre. Neue Ideen mussten her. Steinert sollte den Patio des „Centro de arte contemporáneo Wilfredo Lam“ bespielen. Der Künstler ersann eine dynamische Wolke aus weißen Papierstreifen.
Als das Konzept stand, gab es eine erneute Wendung. Biennale-Kurator Ramírez de Arellano konnte Paletten auftreiben, die sich in zerlegtem Zustand gut für Steinerts Zwecke eignen. Der ursprüngliche Plan des Künstlers kann damit umgesetzt werden. Steinert wird auf dem zentralen Platz in der Altstadt von Havanna aus seinem bevorzugten Material eine „Wooden Cloud“ installieren, welche an die Form einer Blütenknospe erinnert: „Ich nenne die Arbeit „Capullo“ (dt. Knospe, Kokon)“, so Steinert, „weil ich damit vor allem einen Neuanfang oder Neustart verbinde.“Die kubanische Regierung wird mit dem integrativen Ansatz von Steinert gut leben können. Tatsächlich ist Steinerts Arbeit nicht konfrontativ gedacht, sondern partizipativ und passt wunderbar zum Biennale-Motto „Shared Horizons“. Es wird spannend sein, zu sehen, wie insbesondere die Kubaner auf das Werk reagieren und ob es darauf nicht doch zu Unmutsäußerungen gegen das Regime kommen wird. Damit werden Kubas Herrscher leben müssen.