Dirk Rausch: o. T., 2021, Foto: KuBa, Saarbrücken
Dirk Rausch: o. T., 2021, Foto: KuBa, Saarbrücken
19. September 2022

Spannender Parcours

Das KuBa zeigt mit dem Herbstsalon aktuelle Werke der Kunstschaffenden des Hauses.

Der Pariser „Salon d’Automne“ wurde 1903 von Avantgarde-Künstlern gegründet, um ein Gegengewicht zur konservativen Auswahlpolitik des offiziellen „Salon de Paris“ zu schaffen und aktuelle Tendenzen der Kunst zu zeigen. Ganz so revolutionär ist der Herbstsalon des Kulturzentrums am Eurobahnhof (KuBa) zwar nicht, doch auch hier zeigen die Künstlerinnen und Künstler des Hauses aktuelle Arbeiten aus ihrem Repertoire. 

Die Besuche sind jedes Jahr spannend, denn die Entwicklung der Kunstschaffenden lässt sich so nachvollziehen und die Qualität der Arbeiten wechselt durchaus. Dieses Jahr ist stärker als die letzten, offensichtlich tut auch den Künstlerinnen und Künstlern die nachlassende Corona-Einsamkeit gut. Dazu passt gleich am Eingang Michael Koobs Videoarbeit „Follow me“, bei der wir einen Jungen bei einem flotten Spaziergang durch Venedig begleiten. Wir hecheln dem Knirps auf einem anscheinend ziellosen Parcours durch die Gassen der Altstadt hinterher und erleben Venedig als endloses Labyrinth. Aber woher kommt der Junge und wohin will er? 

Grandios ist Armin Rohrs tagebuchartige Aufzeichnung seines Lebens. Er ist mit mehreren kleinen Arbeiten vertreten, die sein ganzes Schaffen in allen Facetten zeigen. Das reicht von Skizzen, über die für ihn so typischen schemenhaften Figuren, aber auch Selbstporträts und Erlebnisse hielt Rohr fest. Ein ähnliches Panoptikum der Kreativität präsentiert Vera Kattler. Ihre Tierporträts sind in den aktuellen Kohlezeichnungen ins Groteske übersteigert. Wenn der Blick schweift, muss man schmunzeln, das Lachen bleibt aber auch mal im Halse stecken. Von dieser Spannung und Ambivalenz leben die Zeichnungen. Die Fabelwesen aus der Serie „Nachts unterm Futterplatz“ tragen vielsagende Titel wie „Als das Einhorn sein Horn verlor“, „Besser du gehst“ oder „Gestern gab es fast nichts“. Es macht großen Spaß, zu rätseln und zu schauen.

Kurator Andreas Bayer hat sich wieder einen spannenden Parcours ausgedacht, hängt Gegensätze und Gemeinsamkeiten, ermöglicht Durchblicke und Ausblicke. Den wunderbar zarten „Himmelsphänomene“-Aquarellen von Arne Menzel stellt Bayer die Seestücke von Julia Baur gegenüber, beim Hinausgehen schaut man an der Rückenansicht einer jungen Frau im Großstadtdschungel von Markus Laforsch vorbei auf ein kleines Mädchen mit dem Teddybären von Julia Aatz. In einem sachlich-realistischen Stil leicht unterkühlt gemalt, hält Aatz das Mädchen fest, das zweifelnd dem Betrachter entgegenblickt. Daneben eines der unheimlichen Puppenbilder von Luise Talbot. Nahezu unwillkürlich gehen beide Werke einen Dialog ein.

Am Eingang trifft man auf drei kleine Objekte von Petras Jung, die mal wieder ihre Qualität unter Beweis stellt mit biomorphen Objekten, die an eine Mischung aus Kaktus und Seeigel erinnern. Gleich danach schweift der Blick auf Mane Hellenthals riesige Fotografie aus der Serie „Zierde“. Der Werkkomplex scheint eine Weiterentwicklung der „Gebinde“-Serie zu sein, indem Hellenthal Blumensträuße malte, die von alten Familienfotos stammen. Die geisterhafte Fotografie zeigt ein Blumengebinde in enormer Vergrößerung und in Schwarzweiß.

Mit Schwarzweiß überrascht auch Juliana Hümpfner, die ihre emotionalen Seelenporträts dieses Mal nicht als Gemälde, sondern als Zeichnungen zeigt. Annegret Leiner zeigt ein größeres Werk, das 2008 entstand und von ihr weiterbearbeitet wurde. Es ist eine Farblandschaft, vor welche die Künstlerin dünne schwarze Kartonsteifen setzt und einen räumlichen Eindruck mit schwebenden Linien schafft.

Überraschend sind auch Dirk Rauschs aktuelle Arbeiten. Mit Aquarelltechnik, Sieb- und Pigmentdruck schafft er räumliche Gebilde und entwickelt seine Arbeit weiter. Den räumlichen Eindruck erreicht er nur durch ausgeklügelte Setzung von Farbebenen und Form und den Dialog zwischen geometrischer Fläche und zerfließender Aquarellfarbe. Wunderbar auch Eva Walkers grafische Arbeiten, die aus zarten weißen Linien auf schwarzem Grund und geometrischen Formen geheimnisvolle Objekte wachsen lässt. Und Claudia Vogel schreibt ihre Untersuchung der Grenzen von Malerei und der Entgrenzung des Bildes konsequent fort.

Gisela Zimmermann zeigt zwei ihrer neuesten Arbeiten, Leslie Huppert dokumentiert zwei Projekte in der Jugendstrafanstalt in Berlin, die ein bisschen Farbe in den tristen Alltag der Jugendlichen bringt und beweist, wie viel Kreativität in den Jungs steckt. Rose Vöhringer ist mit einer aufwühlenden Arbeit vertreten, Werner Constroffer mit eindrücklichen Tuschezeichnungen menschlicher Figuren und Martin Steinert mit zwei kleineren Objekten aus dem 3D-Drucker, um die man stundenlang herumlaufen könnte. Zu Gast sind außerdem Max Sayed, der derzeit im Gastatelier des KuBa arbeitet und die zwei ukrainischen Künstlerinnen Lyudmyla Korzh-Radko und Kateryna Radko.   

Herbstsalon, Kulturzentrum am Eurobahnhof, Saarbrücken, bis 2. Oktober 2022

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