Mirjam Elburn, „you can’t hide anymore, textile Rauminstallation, 2019/2022, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Mirjam Elburn, „you can’t hide anymore, textile Rauminstallation, 2019/2022, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022
25. Januar 2023

Verstecken und sichtbar machen

Das Museum St. Wendel zeigt mit Malgorzata Sztremer und Mirjam Elburn zwei sehr unterschiedliche Künstlerinnen.

Malgorzata Sztremer und Mirjam Elburn haben auf den ersten Blick einiges gemeinsam. Beide sind längst namhafte Künstlerinnen in der Region, haben an der HBK ihren Abschluss gemacht und stellen nun gemeinsam im Museum St. Wendel aus. In der Kunst gehen sie aber sehr unterschiedliche Wege und treffen sich dann doch wieder.

Unter dem Zitat aus Alice im Wunderland „…alles Übrige blieb unsichtbar“ führt Museumsleiterin Friederike Steitz die beiden Künstlerinnen klug zusammen. Beide bekommen einen eigenen Raum, sodass man sich mit jeder Künstlerin individuell beschäftigen kann. Im geräumigen Flur des Museums hängen sie dann einträchtig nebeneinander. Dass beide Künstlerinnen dann doch mehr gemeinsam haben, als man denkt, ist offensichtlich, denn beide spielen mit dem Sichtbarmachen und Verstecken.

In der formalen Ausformung könnten beide nicht unterschiedlicher sein. Sztremer malt märchenhaft-surreale Traumwelten. Das ist gefährlich, weil solche Bilder immer drohen, in das Kitschige abzugleiten. Doch davon ist die Malerin weit entfernt. Sztremers Motive entführen in rätselhafte Welten, in denen nichts so scheint, wie es auf den ersten Blick aussieht. Scheint die Szenerie beim ersten Hinsehen klar, erkennt das Auge schnell viele Details und beginnt zu suchen wie in einem Wimmelbild. Doch scheint da nichts so recht zusammenzupassen, es sind szenische Fragmente, die da scheinbar wahllos zusammengewürfelt wurden.

Die Malerin lässt uns damit allein. In den Bildern stehen meist Frauenfiguren im Vordergrund, die oftmals in Gemeinschaft mit Tieren agieren in einem aus Landschaft und architektonischen Elementen bestehenden Bildraum. Das Narrativ des Bildes muss der Betrachter selbst entwirren und sich seine eigene Geschichte erzählen.

Die Titel helfen nicht weiter und sind deskriptiv, wie etwa „Am Brunnen“ oder greifen einzelne Bildelemente heraus, wie etwa „Azurit“. Eine der stärksten Arbeiten ist „Baba Silber“ aus dem Jahr 2020, das wie die anderen Arbeiten auch mit Eitempera auf Leinwand gemalt wurde. Im Mittelpunkt steht ein seltsames Zwitterwesen, offensichtlich weiblich, in einer silbernen Rüstung unter einem leuchtend roten Kleid. Seltsam entstellt wirkt sie wie eine Mischung aus Gnom, Echse und Frau. Sie schwebt oder fällt, wie es ihr wehender Umhang andeutet, vom Himmel. Um sie herum in der Gebirgslandschaft eine schwarze Katze, ein schlafendes Mädchen und zwei elfenhafte Frauen, die eine silberne Puppe ausstaffieren. Sztremer spielt mit malerischen und literarischen Vorlagen und interpretiert sie nach eigenem Gusto. Das Wunderbare daran ist, dass man nie genau weiß, worauf sie hinauswill und zum eigenen Fantasieren gezwungen ist.

Im Raum nebenan zeigt das Haus eine aktuelle Arbeit von Mirjam Elburn. Elburn kennen viele in der Region von ihren Objekten, die von Haaren durchsetzt sind. In diesem Jahr hat sie sich neuen Werkstoffen zugewandt. Sie begann mit Textilem zu arbeiten und untersuchte deren Wirkung im Raum. Inspirieren ließ sie sich von stadtbildprägenden Vorhängen, Tüchern und Sichtschutzzäunen, die sie fotografisch dokumentiert hat. Einige sind in der Ausstellung zu sehen. Elburn setzt sich mit der Ambivalenz von Sichtbarmachen und Verbergen auseinander. Die für das Museum St. Wendel geschaffene textile Installation besteht aus mehreren textilen Schichten, die von der Decke hängen. Die Stoffbahnen bilden Zwischenräume und bieten Durchblicke auf die jeweils dahinterliegenden Bahnen. Die ausgeschnittenen Formen hängt sie wie Girlanden dazwischen. Man kann die rechteckigen Löcher mit den abgerundeten Ecken als Fenster interpretieren und sieht eine urbane Architekturlandschaft. Die Arbeiten haben auch ein malerisches Element, denn viele der Stoffe sind farbig bearbeitet, was ihnen den Charakter der Häuserschlucht ein wenig nimmt und ins Abstrakte überführt.

Im Flur des Museums hängen kleinere Arbeiten der Künstlerinnen nebeneinander und überraschend funktioniert das gut, weil das Gemeinsame offensichtlich wird. Sztremer zeigt kleinere Vorzeichnungen, die Fragmente der Gemälde beinhalten. Es macht großen Spaß, zwischen den Zeichnungen und den Gemälden hin und her zu laufen und auf die Suche zu gehen. Zum Entwirren der Bildwelten trägt das gemeinerweise nicht bei, hilft aber beim Entdecken des Bilderkosmos. Dazwischen hängen immer wieder Arbeiten von Elburn, die ihre Grundidee auch malerisch umsetzt, etwa in „beyond“, wo sie zwei solcher durchlöcherten Tücher als malerische Form in unterschiedlichen Farben versetzt übereinander zeigt. Hier wirken die Formen fast organisch und erinnern an Schwämme.

„…alles Übrige blieb unsichtbar“, Museum St. Wendel, bis 26. Februar 2023

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