Als Tom Petty & The Heartbreakers 1991 “Into the great wide open” sangen, war die Welt im Aufbruch. Die Sowjetunion und der Ostblock waren zusammengebrochen, Deutschland wiedervereint und Jugoslawien stand vor der Auflösung. Es herrschte weltweit eine große Sehnsucht nach Freiheit, aber auch ein fiebriger Zustand zwischen dem Verlust alter Gewissheiten und neuer Möglichkeiten. Nun steht die Welt vor einem ähnlich tiefgreifenden Wandel, denn die Corona-Pandemie bedeutet eine ähnliche Zäsur wie die Jahre um 1990.
Der Titel der Jahresausstellung des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler ist an dieses Lied angelehnt. 37 Künstler:innen beteiligen sich an dem Projekt, das noch bis 31. Oktober die Zeit der Verarbeitung und Überwindung der für die Kulturschaffenden existenziellen Einschränkungen reflektiert.
Neben ein wenig Langweiligem und ein bisschen Mittelmaß gibt es auch einige echte Leckerbissen. Eine starke Arbeit zum Thema ist Isa Gawrons „Die Hölle, das sind die anderen“. Die Künstlerin integriert in eine gestische Abstraktion eine Zeitschriftenseite mit dem Titel gebenden Zitat von Jean-Paul Sartre. Das Pressefoto zeigt eine Hand, die sich an einer Stange in einer U-Bahn oder einem Bus festhält. Aus Angst vor einer Infektion umklammert sie den Griff mit einem Taschentuch. Diffuse Ängste materialisiert in einem Nebel aus Farbe.
Fast schon symbolisch „Sie beißen nicht in Pelzerhaken“ von Vera Loos. Da steht ein Angler hüfthoch im Wasser, dessen Grau sich scheinbar grenzenlos mit dem Himmel verbindet. Hier legt sich die bleierne Ruhe der Lockdowns in ein Bild. Ähnlich ruhig auch Jörg Munz‘ „Ohne Titel“, dessen abstraktes Farbgestöber durch seine horizontalen Lagen an eine Landschaft oder ein Seestück erinnert.
Schmunzeln muss man bei Rudolf Schwarz‘ Mail Art. Auf der Rückseite einer Postkarte prangt in großen Lettern „Mit Verlaub Herr Ulrich…“ Damit spielt Schwarz auf Joschka Fischers berühmten Satz im Deutschen Bundestag an, mit dem Fischer den damaligen Bundestagspräsidenten Richard Stücklen wenig schmeichelhaft betitelte und wendet dieses Zitat auf das gescheiterte Comeback des ehemaligen Grünen-Politikers im Saarland, Hubert Ulrich, an.
Viele Künstler erinnern sich in ihren Werken an Urlaubsreisen, so wohl auch Werner Schwarz, der den Strand in „Kerfissien“ in der Bretagne festhielt. In expressiver Farbgebung und pastosem Farbauftrag zeigt er uns seinen ganz persönlichen Blick auf das Meer. Auch Armin Rohr und Albert Herbig überzeugen mit ihren figurativen und sehr persönlichen Arbeiten, genauso wie Malgorzata Sztremer mit ihren surrealen Geschichten und Anni Kenn-Fontaine, mit „moment digital“, das auf die zunehmende Digitalisierung seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hinweist.
Eine der stärksten Arbeiten ist Mane Hellenthals Installation im Keller des Künstlerhauses. Sie projiziert Dias auf eine von ihr gemalte surreal anmutende Berglandschaft. Die Fotos stammen aus Haushaltsauflösungen aus dem familiären Umfeld. Die Dias aus der Nachkriegszeit bringen fleckige und vergilbte Erinnerungen aus einer Zeit des Aufbruchs und Wohlstands zurück in die Gegenwart. Nicht ohne Wehmut schaut man auf die vielschichtige Arbeit und erkennt, wie unbeschwert und sorglos das Leben in dieser Zeit war. Zugleich wird aber auch deutlich, wie naiv man glaubte, ohne Rücksicht aus dem Vollen schöpfen zu können.
“Into the great wide open”, bis 31. Oktober 2021, Saarländisches Künstlerhaus