Die Stadtgalerie Foto: AnRo0002/Wikipedia, CC0 1.0 Universal
Die Stadtgalerie Foto: AnRo0002/Wikipedia, CC0 1.0 Universal
9. Dezember 2025

Es rumort

Die Stadtgalerie verliert Besucher. Nun gibt auch der Förderkreis der Stadtgalerie auf. Wo liegen die Ursachen?

Es rumort in der saarländischen Kunstszene. Schon länger gibt es Unmut über das Programm der Stadtgalerie Saarbrücken. Nach der Übernahme der Leitung durch Katharina Ritter im Jahr 2021 sei das Haus zum „soziokulturellen Zentrum“ geworden, monieren viele. Hochkarätige Kunst sei selten, dafür überwiege ein Angebot an „politischer Mitmachkunst“, ein Besuch lohne sich nur selten.

Diese Unzufriedenheit wird nun offensichtlich. Der seit 1984 bestehende Förderkreis der Stadtgalerie löst sich auf. Auf Anfrage möchte sich der ehemalige Vorstand nicht zum Programm äußern, doch die Zahlen sprechen für sich. Man habe im Jahr 2019 immerhin 64 Mitglieder gezählt, so der ehemalige Geschäftsführer Lutz Günther. In den Jahren zwischen 2021 und 2024 kam es jedoch zu einem drastischen Mitgliederschwund. Fast 30 Prozent traten aus. Zugleich habe es seit 2019 kein einziges Neumitglied mehr gegeben.

Und so schwer es gewesen sei, Menschen für den Förderkreis zu begeistern, so schwer sei es auch gefallen, sie für die Vorstandsarbeit zu vereinnahmen. Die Amtszeit des Vorstands sei 2024 abgelaufen, niemand fand sich mehr, der bereit war, diese Aufgaben zu übernehmen. Weder im November 2024 noch im März 2025 sei es gelungen, einen neuen Vorstand zu wählen. Der Verein beschloss die Auflösung und befindet sich nun in Liquidation.

Das mangelnde Engagement ist sicher nicht nur dem Programm der Stadtgalerie geschuldet, viele Vereine kennen diese Probleme. Es ist jedoch offensichtlich, dass dies auch mit der Programmatik der kommunalen Galerie seit Ritters Verpflichtung im Jahr 2021 zusammenhängt. Im Rathaus sieht man darin offensichtlich kein Problem, der Vertrag von Ritter wurde gerade verlängert, das Budget um 10 Prozent auf 216.000 Euro erhöht.

Doch die Besucherzahlen sind deutlich. Im Durchschnitt kamen in den Jahn-Jahren von 2013 bis 2019 rund 7.200 Menschen pro Jahr in die Stadtgalerie, bei Ritter sind es in den Jahren 2022 bis 2024 ca. 5.700, das entspricht einem Verlust von mehr als 20 Prozent. Die Coronapandemie-Jahre 2020 und 2021 sind nicht berücksichtigt.

Zusätzlich hat die Stadtgalerie Veranstaltungen außerhalb des Hauses organisiert mit Kooperationspartnern wie Schulen und Kindergärten oder Konzerte beim Kultstadtfest 2022 oder auf der Waldbühne im Deutsch-Französischen Garten.

Ritter machen die Zahlen keine Sorgen: „Die Besucherzahlen entwickeln sich gut. Bei Eröffnungen feiern wir im Durchschnitt mit 200 Menschen.“ Für Ritter ist an den Zahlen nicht zwingend ablesbar, wie erfolgreich ihr Konzept ist. Natürlich sollten Publikumszahlen auch nie maßgeblich sein für Entscheidungen eines Ausstellungshauses, sie sind aber durchaus Evaluationsfaktor für das Konzept. Wenn Kunst nicht wahrgenommen wird, ist sie wenig wert.

Leiterin Katharina Ritter sieht dennoch keinen Grund für eine Kurskorrektur: „Wir bekommen vor allem viele positive Rückmeldungen von einem jüngeren, neuen Publikum.“ Doch sie gesteht ein: „Vereinzelt kommt auch Kritik aus der ein oder anderen Richtung, die den von uns eingeschlagenen Weg so nicht mitgehen möchten.“ Das Ausprobieren von neuen Ideen sei nun mal nicht von allen gewünscht, man könne nicht alle mitnehmen. Sie ergänzt: „Jede Kritik hat ihre Berechtigung, kann aber auch nicht dazu führen, dass alles stets beim Alten bleibt.“

Ritters Ansatz ist ein moderner, der von vielen jungen Kuratoren umgesetzt wird. Deren Selbstverständnis ist nicht mehr auf das Zeigen von Kunst beschränkt. Kunst soll in die Gesellschaft wirken, zu politischen und gesellschaftlichen Veränderungen anregen.

Die Stadtgalerie-Leiterin wird nicht müde, ihre Idee von der Stadtgalerie als „Ort der kritischen Zuversicht“ zu propagieren. Ihr Ansatz ist es, gemeinsam mit Kunst- und Kulturschaffenden auszuloten, wie eine lebenswerte Zukunft möglich ist. Ritters Arbeit ist stark partizipativ geprägt und vor allem auf die lokale und regionale Wirkmacht der Ausstellungen ausgelegt. Sie hat es geschafft, die Stadtgalerie als Kunstlabor in der Stadtgesellschaft zu verankern. Heute kommen vor allem junge Menschen und Familien zu den Ausstellungen. Das ist großartig, doch es gibt eine Schattenseite. Das frühere Stammpublikum, das sich aus dem kunstbegeisterten Bildungsbürgertum rekrutierte, bleibt weg. 

Offensichtlich ist, dass die Qualität des Gezeigten stark schwankt. Ausstellungen wie die von Paulette Penje, Hojin Kang oder Saša Spačal waren großartig. Zu oft aber sind es Einzelausstellungen, die zwar thematisch in Ritters Kanon passen, aber wenig hochkarätig sind. Wenig inspirierend etwa war die Ausstellung des ConstructionLab im Jahr 2022 oder die von Anna Ehrenstein. Auch „Im Fluß sein“ zu den Olympischen und Paralympischen Spielen war nicht wirklich überzeugend.

Um die Stadtgalerie wieder zu einem Haus erster Klasse zu machen, sich thematisch nicht zu sehr zu verengen und ein breites Publikum anzusprechen, müsste Ritter Kompromisse eingehen. Warum nicht mal auch arrivierte Positionen aus dem globalen Süden? Hier gibt es wunderbare Kunst und sehenswerte Ansätze auch und gerade zu Ritters bevorzugten Themen. Das Haus bietet mit seinen zwei Ebenen Möglichkeiten, zwei Positionen nebeneinander zu zeigen, wie das Ritter ja auch tut. Hier könnte man junge und arrivierte Künstler nebeneinander oder im besten Falle auch miteinander zeigen. 

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