Hannah Mevis, Erschöpfung, 2023, Foto:Lukas Ratius
Hannah Mevis, Erschöpfung, 2023, Foto:Lukas Ratius
12. Dezember 2023

Der Körper als Spiegel der Seele

Die Stadtgalerie glänzt mit zwei sehr unterschiedlichen Ausstellungen.

Mit der Übernahme der Leitung durch Katharina Ritter hat sich in der Stadtgalerie einiges verändert. Während sich Vorgängerin Andrea Jahn auf etablierte Positionen zeitgenössischer Kunst konzentrierte, räumt Ritter jungen Künstlerinnen und Künstlern mehr Raum ein. Viel wichtiger ist aber ihr Ansatz, das Haus in der Stadtgesellschaft als lebendigen Diskussionsort zu etablieren.

Dazu gehört auch Ritters Idee, Kinder Ausstellungen kuratieren zu lassen. Das mag man mit einem Lächeln abtun, doch es ist erstaunlich, wie ernsthaft diese Ausstellungen unter fachkundiger Anleitung werden. Die Ausstellungen werden von Kindern kuratiert, machen aber auch Erwachsenen Spaß. Das liegt nicht zuletzt an den grandiosen Interviews, die Kunstvermittlern Saskia Riedel mit den Kindern zu den Kunstwerken geführt hat. Nicht nur, dass man über den QR-Code eine Erklärung bekommt, die Kinder äußern auch ihre ganz persönlichen Gedanken und ziehen die Erwachsenen mit in ihre Welt. Die Lust und Intelligenz, mit der die Kinder die Kunstwerke analysieren, sollte manchem Erwachsenen zu denken geben.

Nach der ersten Ausstellung zum Thema Klimagerechtigkeit stellt „Wildes Morgen“ das Thema „wünschenswerte Zukunft“ in den Mittelpunkt. Ritter und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Leo Scheidt haben den Schülerinnen und Schülern der Grundschule Wallenbaum und Rastbachtal eine Auswahl künstlerischer Werke vorgeschlagen und die Kinder diskutieren und entscheiden lassen. 

Die haben eine durchweg schöne Auswahl getroffen und ein buntes Bild der Zukunft entworfen. Los geht es aber mit dem Masterprojekt von Museumpädagogikstudentin Scheidt. Im Zentrum von „Schlag auf“ steht eine Tischtennisplatte, an der alle zwei Wochen ein offener „Tischtennistreff“ stattfindet. Hier werden gemeinsam neue Formen des Spiels in Verbindungen mit Lernen und Wissensaustausch entwickelt. Das Projekt erforscht spielerisch neue Formen der Vermittlung von Kunst.

Es folgen im ersten Geschoss sechs Kunstwerke, die sich mit Zukunftsfragen beschäftigen. Rop van Mierlos „Wild Animals“ zeigt zarte Aquarelle von wilden Tieren und wendet sich gegen die Zähmung der Natur. Richtig Spaß macht Jonas Mayers Arbeit „Driving Range“. Mayer hat aus Fundobjekten und recycelten Materialien eine Minigolfbahn aufgebaut. Da kommt auch bei Erwachsenen der Spieltrieb durch und es macht unverhohlen großen Spaß, im musealen Raum spielen zu dürfen. Ernst wird es dann in der Arbeit von Lena Markusen. Ihr Video spürt anhand der Biografien ihrer weiblichen Vorfahren der Unterdrückung von Frauen in der Landwirtschaft nach. Die Arbeit ist deprimierend, macht traurig, entwirft aber auch eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

Im Obergeschoss zeigt die Stadtgalerie aktuelle Arbeiten von Hannah Mevis in deren erster Einzelausstellung. Unter dem zusammenfassenden Titel „Erschöpfung“ erarbeitet die Künstlerin seit 2021 eine Vielzahl von Arbeiten, die man wie Module in einer Ausstellung zeigen kann. 

Los geht es mit einem laborartigen Raum, der Mevis‘ Forschung zum Thema „Erschöpfung“ zeigt und in ihre Arbeit einführt. Die Künstlerin nutzt den Zustand der physischen und psychischen Erschöpfung als Mittel, den Körper als Ausdruck emotionaler und geistiger Zustände zu erforschen oder einfacher ausgedrückt: Sie untersucht, wie der Körper auf unterschiedliche Gefühlszustände reagiert.

Schön schaurig wird es im ersten Raum. Dort begegnet uns ein schmuckloser, 15 Meter langer Gang. Erst wenn man diesen betritt, merkt man, dass der sich nach hinten verschlankende Weg keine perspektivische Täuschung ist. Aus dem über zwei Meter hohen und zwei Meter breiten Gang wird zum Ende ein schmaler Ausstieg. Es ist beklemmend, da hindurchzulaufen und sich durch die Öffnung am Ende zu quetschen. Dabei geschieht eigentlich nichts. Die grundlegende Idee ist es, zu zeigen, wie unsere Umwelt unser Körpergefühl bestimmt.

Damit wäre auch Mevis‘ Thema umrissen. Es ist vor allem der (weibliche) Körper und sein Umfeld, den sie anhand des eigenen Körpers erforscht. Wunderbar etwa „Landscapes of a body“. Aus selektiven Abdrücken ihres Körpers formt sie Betonelemente und überzieht sie mit Nylon. Eine höchst ästhetische Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper, der abstrahiert zur Landschaft wird. Ebenfalls ansprechend ist die Arbeit, in der Mevis den eigenen Körper in verschiedenen „Gemütszuständen“ schichtweise zerlegt und als Print auf hintereinander gestaffelte Glasscheiben druckt. 

„Wildes Morgen“ und „Hannah Mevis: Erschöpfung“, bis 28 Januar 2024, Stadtgalerie Saarbrücken

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