Blick in die erste Ausstellung in der Galerie Pusic, Foto: Galerie Pusic
Blick in die erste Ausstellung in der Galerie Pusic, Foto: Galerie Pusic
23. August 2022

Vielfältige Kunst an renommiertem Ort

Die neue Galerie Pusić im Nauwieser Viertel überzeugt mit einer vielfältigen ersten Ausstellung.

Seit 1. März ist die Galerie Neuheisel am Rande des Nauwieser Viertels hinter der Johanneskirche verwaist. Benjamin Knur, der die Galerie nach dem Rückzug von Gründer Gernot Neuheisel übernommen hatte, wird im kommenden Jahr in einen Neubau in St. Ingbert einziehen. Doch nun kommt neues Leben in die Räume. Der Gastronom Esad Puzić, Koch und Inhaber des Gusto Steakhouse am St. Johanner Markt wird dort am heutigen Dienstagabend die Galerie Puzić eröffnen. 

Wie kommt ein Gastronom auf die Idee, eine Galerie zu gründen? Puzić hat eine bewegte Lebensgeschichte. Bevor er sich 1991 an der Kunstakademie in Sarajewo einschreiben wollte, kam der Bosnier nach Deutschland, um seinen Bruder zu besuchen, der hier lebte. Doch der Kriegsausbruch im zerfallenden Jugoslawien warf alle Pläne über den Haufen. Puzić blieb, jobbte in der Gastronomie und hoffe, sein Aufenthalt sei nur von kurzer Dauer, bis sich die Lage in der Heimat beruhigen würde. Doch das geschah nicht, der Krieg wütete monatelang und so bewarb er sich schließlich an Kunsthochschulen in Deutschland. Es mangelte nicht an Talent, Puzićs Problem war die immer wieder für sechs Monate befristet erteilte Aufenthaltserlaubnis für Bürgerkriegsflüchtlinge. Er wurde überall abgelehnt, weil die Hochschulen nur Bewerber mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis aufnahmen. Puzićs Bewerbung scheiterte an Formalia. Er blieb in der Gastronomie, büffelte Deutsch und besuchte Kunst-Kurse an der VHS. Mitte der 1990er Jahre machte er sich als Künstler selbstständig. Rückblickend erzählt er: „Das hat mich vor der Abschiebung bewahrt, denn selbstständige Künstler wurden nicht abgeschoben. Ich wurde nicht reich, konnte aber künstlerisch arbeiten und ein bisschen Geld verdienen.“ Vor allem Aufträge für Wandmalereien in Restaurants und Bars retteten ihn. Als er 2005 heiratete und eine Familie gründete, änderten sich die Prioritäten. Esad Puzić wollte ein sicheres Auskommen. Erst gründete er ein „Fashion-Café“, in dem er Kunst und Gastronomie verband. Im Jahr 2009 folgte das Restaurant „Bastei“ in der Saaruferstraße, später dann das „Gusto Steakhouse“ in der Saarstraße am St. Johanner Markt, welches er bis heute führt. Kunst konnte er kaum noch machen, es fehlten die Zeit und ein geeignetes Atelier. 

Die Corona-Pandemie veränderte 2020 alles. Trotz der existenziellen Sorgen fand Puzić wieder Zeit und Muße zum Malen und Zeichnen. Sein Traum vom Kunststudium lebte wieder auf. Er schrieb sich an der Europäischen Kunstakademie in Trier ein, wo er berufsbegleitend studieren konnte. Längst ist Puzić ein „fertiger“ Künstler. Sein Werk lässt Talent und handwerkliches Können erkennen. Warum also noch Kunst studieren? Puzić geht es nicht so sehr um die akademische Formung: „Ich möchte mich ausprobieren und experimentieren. Außerdem möchte ich in einem angemessenen Rahmen arbeiten. Das kann ich in Trier, wohin ich zwei- bis dreimal in der Woche fahre. Mir ist der Austausch mit Studierenden und Dozenten sehr wichtig. Ich kann mich hier aber auch zurückziehen und in Ruhe konzentriert arbeiten.“ 

Schon länger trug sich Puzić mit dem Gedanken, eine Galerie in Saarbrücken zu eröffnen und der Stadt einen neuen Ort für Kunst zu schenken, die „das Stadtleben bereichern soll“, wie es der Galerist formuliert. Als er vom Leerstand bei Neuheisel erfuhr, griff er zu. Die Räume sollen nicht nur Ausstellungsort sein: „Ich möchte eine anspruchsvolle Galerie mit hohem Niveau führen, die vor allem Begegnungsort für kunstbegeisterte Menschen sein soll.“ Neben Malerei, Zeichnung, Grafik und Bildhauerei sollen auch Klang- und Videokunst zu sehen und zu hören sein. Fünf große Ausstellungen pro Jahr mit nationalen und internationalen Größen sowie Künstlerinnen und Künstlern der Großregion möchte Puzić zeigen. Selten werden das Einzelausstellungen sein, der Galerist setzt lieber auf Ausstellungen mit drei bis fünf Kunstschaffenden.

Aber auch jungen Talenten möchte er eine Chance bieten: „Ich möchte Experimente wagen. In jeder Ausstellung wird eine Wand den Studierenden der Kunstakademien der Großregion gehören, außerdem wird es immer wieder kurze Ausstellungen mit den jungen Künstlerinnen und Künstlern geben, die nur mal ein paar Tage zu sehen sein werden.“ Das erste Mal ist dies im Juli der Fall, wenn Studierende der HBK Saar zu Gast sind. Anbieten möchte Puzić auch Kreativ-Workshops für Kinder und Erwachsene. Außerdem besitzt er eine Wohnung in der Nachbarschaft, die für Gäste von Restaurant und Galerie offen sein soll. Diese soll auch als Showroom dienen und mit Kunst aus der Galerie bestückt sein. Eigene Arbeiten will er nur selten zeigen: „Es geht mir nicht um mich und meine künstlerische Arbeit, die könnte ich auch woanders ausstellen.“

Wohin die Reise gehen soll, zeigt der Galerist schon in der ersten Ausstellung. Die ist zwar einigermaßen vollgepackt, weiß aber durchaus zu überzeugen. Im ersten Ausstellungsraum sind Arbeiten von Silke Brösskamp und Odilo Weber zu sehen. Brösskamp zeigt elf kleinformatige Zeichnungen auf Papier. Die in Köln lebende Münsteranerin verarbeitet alltägliche Gegenstände, kombiniert aber auch militärische und medizinische Objekte und Landschaften zu surrealen Ansichten. Sie enthebt die Objekte ihrer eigentlichen Umgebung, fragmentiert sie gelegentlich und nimmt ihnen damit ihre eigentliche Bestimmung. Die realistisch gemalten Dinge erscheinen oft fremd und kommen uns doch seltsam vertraut vor.

Ähnlich arbeitet Odilo Weber in seinem bildhauerischen Werk. Weber formt aus alltäglichen Materialien wie Kartons, Beton und Porzellan vielschichtige Objekte. Ein Hingucker sind die orthogonalen Holz- und Pappwelten, die meist einen Blick in ihr Innenleben preisgeben. Spiegel vervielfältigen den Blick oder werfen Muster zurück. Stark sind die Beton-und Porzellan-Kompositionen in denen Weber manierierte Porzellanfigürchen oder Geschirrteile mit Betonformen kombiniert. 

Allseits bekannt ist der saarländische Bildhauer Martin Steinert, der mit seinen herausragenden Plastiken aus Dachlatten europaweit für Furore sorgt. In der Ausstellung zeigt er kleinere Objekte aus dem 3D-Drucker, welche die Formenspache aus den großen „Lattenprojekten“ aufnehmen, in der Ausführung aber strenger geordneter sind. Im Gegensatz zu den raumgreifenden Lattenobjekten passen diese nicht nur in ein Wohnzimmer, sie sind auch bezahlbar.

Eine Entdeckung ist für viele sicher Ivan Kocić. Der serbische Künstler schafft reliefartige Wandbilder aus altem Plastikspielzeug. In der Ausstellung zeigt er sechs großformatige Porträts von Frauen. Das ist zwar manchmal etwas gefällig, doch aufgrund der Vielzahl von farblich und förmlich perfekt integrierten Puppenköpfen und Legosteinen durchaus sehenswert. 

Michael „Julius“ Schwarz präsentiert mehrere große Leinwände. Die Arbeiten des St. Ingberter Künstlers erinnern ein bisschen an Basquiats kraftvoll-emotionale Kunst. Wie er übernimmt Schwarz die Formensprache von Streetart und Urban Art und kombiniert Figuren, Schädel, Tiere, Symbole und Zeichen zu einer eigentümlichen Bildwelt. Schriften und Zahlen tauchen immer wieder auf, lassen Rückschlüsse zu, geben aber nie ganz preis, was den Künstler umtreibt. Zweifellos sind die Gemälde tiefgreifende Kritik an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen.

Dazu passen gut die aus Eisendraht geschaffenen Skulpturen von Johannes Schorr, der aus dem Metall ungewöhnliche Wesen entwirft, die in den Dialog mit Schwarz‘ Bildern treten.  

Galerie Pusić, Johannisstraße 3A, in Saarbrücken.

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