Max Ziegert, ohne Titel, 1950er Jahre, Öl auf Pappe, Privatbesitz
Max Ziegert, ohne Titel, 1950er Jahre, Öl auf Pappe, Privatbesitz
15. November 2023

Ein Schatz aus der Versenkung

Das Museum Ludwig Galerie und das Institut für aktuelle Kunst im Saarland feiern in Saarlouis den zehnten Geburtstag von fünf Malern der Künstlergruppe Untere Saar.

Die Gründer der Künstlergruppe „Untere Saar“ führen bis heute ein kunsthistorisches Schattendasein. Abseits der Region um Saarlouis sind die Gründer wenig bekannt und werden aus dem kunstgeschichtlichen Diskurs des Landes immer noch weitgehend ausgeblendet.

Eine aktuelle Ausstellung im Museum Ludwig Galerie und dem Institut für aktuelle Kunst im Saarland in Saarlouis möchte das ändern. Sie widmet sich der „goldenen Generation“ der Künstlergruppe und nutzt den 100. Geburtstag von fünf Malern zu einer großen Überblicksausstellung. Initiiert von Museumsleiterin Claudia Wiotte-Franz und kuratiert von Petra Wilhelmy zeigen die beiden Häuser Werke von Alfons Fontaine, Victor Fontaine, Karl Michaely, Paul Rihm und Max Ziegert.

Da alle fünf Maler ein reichhaltiges Oeuvre geschaffen haben, konzentriert sich „WeltSichten“ auf die Darstellung von Landschaften: Stadtansichten, Berg- und Seelandschaften, Wälder und die sanften Hügel von Lothringen und dem Saargau. Es überrascht, wie fünf Künstler mit sehr ähnlichen Biografien so unterschiedliche Stile entwickelt konnten. Alle sind in den Jahren 1922 oder 1923 im Saarland geboren. Ihre ersten Lebensjahrzehnte waren bestimmt vom Krieg. Die beiden Fontaines, die nur entfernt miteinander verwandt waren, sowie Karl Michaely studierten dann in den 1940er Jahren an der neu gegründeten Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken. Rihm absolvierte ein pädagogisches Studium, Ziegert wurde Fotograf.

Auf viele Künstlerinnen und Künstler der frühen Tage des Saarlandes in der Nachkriegszeit war der Einfluss Frankreichs groß. Stipendien, die von Frankreich großzügig vergeben wurden, um die Saarländer an das Nachbarland zu binden, gaben den Künstlern die Möglichkeit zum Austausch. Die glitzernde Metropole Paris beeindruckte sie genauso wie Licht und Farben der Provence. Lothringen wurde für viele zur großen Liebe und zur zweiten Heimat. Man fühlte sich zuhause und war doch in der „Fremde“. 

Die Reisen nach Frankreich machte die Künstler mit den dort vorherrschenden Kunststilen vertraut. Ihre Arbeit blieb davon nicht unbeeinflusst. Schon das erste Gemälde in der Ludwig Galerie ist eine zauberhafte impressionistische Ansicht der gotischen Kirche von Montereau-Fault-Yonne von Alfons Fontaine. Was so spätimpressionistisch daherkommt, ist in Wahrheit 1979 entstanden. Impressionistisch angehaucht auch Fontaines „Kathedrale von Metz“ im Institut für aktuelle Kunst. Ansonsten betätigte sich Fontaine vor allem als Zeichner, hielt mit Bleistift und Tintenstift vor allem Stadt- und Dorfansichten in Frankreich und Italien fest. Von realistisch und detailreich reicht die Spanne bis hin zu abstrahierten Ansichten, die mit schnellem Strich die Architektur zergliedern. 

Eine Wiederentdeckung ist Paul Rihm. In gedämpften Farben und flächigem Bildaufbau hält Rihm vor allem den Saargau, Lothringen und Italien fest. Dabei malte er vor allem aus der Erinnerung heraus. Reizvolle Örtchen und Silhouetten von italienischen Bergdörfern sind bei ihm beliebtes Sujet. Ganz anders Karl Michaely, der zu den bekanntesten der fünf Ausgestellten gehört. Für ihn war der Studienaufenthalt in Paris ein besonderes Erlebnis, das seine ganze Kreativität freisetzte. Von Surrealismus, Kubismus und Fauvismus entlehnte er wesentliche seiner künstlerischen Ideen, fand aber trotzdem zu einer eigenen Bildsprache in häufig stark akzentuierter Farbgebung. 

Die größte Wiederentdeckung dürfte Max Ziegert sein. Wie Paul Rihm war Ziegert Autodidakt. Seine Werke sind bestimmt von fröhlicher Farbigkeit, anfangs noch als Chronist seiner Heimatstadt Saarlouis, wurde sein Werk spätestens in den 1980er Jahren immer abstrakter. Die in der Ausstellung gezeigten Aquarelle lassen zwar noch reale Landschaften erkennen, spielen aber so elegant mit der Farbe, dass deren Wirkung im Vordergrund steht. 

Das größte Talent der Gruppe war Victor Fontaine. In seinem Werk ist die Landschaft zwar kein vorrangiges Thema, doch es taucht auch bei ihm immer wieder auf. Anders als bei seinen Kollegen ist sein Werk deutlich eigenständiger. Zwar sind auch hier Einflüsse der französischen Moderne erkennbar, aber sie fallen deutlich sparsamer aus. Fontaines Werk orientiert sich an formalen Fragen. Da ist etwa „Valmunster“ aus dem Jahr 1978, das einen Blick auf die bekannte Kirche St-Jean-Baptiste zeigt. Die Komposition besteht aus leuchtend roten Farbflächen, die durch blaugraue Linien begrenzt sind. Ein kleines Meisterwerk ist die titellose Landschaft auf Hartfaserplatte. Sie zeigt eine Landschaft mit Bäumen in kräftigen Farben. Aus schwarzen Vertikalen und farbigen horizontalen Linien mit ein paar Kreisen und Klecken schält sich eine Landschaft. 

Petra Wilhelmy und Claudias Wiotte-Franz ist mit 160 Gemälden, Zeichnungen und Grafiken eine wunderbare Ausstellung gelungen. Die Kooperation mit dem Institut für aktuelle Kunst erweist sich als Gewinn, weil die Ausstellungsfläche größer wird und zwei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden konnten. Die differenten Raumsituationen ermöglichen einen grundsätzlich anderen Blick auf die Werke. Während im Museum die Hängung konservativer ist und im vornehmen Dunkel der Kabinette die Arbeiten nach Malern geordnet sind, ist die Ausstellung am Choisyring vor allem dem Blick der Maler auf die Grenzregion gewidmet. Hier ist die Hängung im hellen Licht kuratorisch subjektiver und orientiert sich an Sujets und Material. Spaß machen aber beide Ausstellungen. 

Zur Ausstellung ist ein Katalog zum Preis von 25 Euro erhältlich. Die Häuser bieten ein umfangreiches Begleitprogramm.

WeltSichten, Alfons Fontaine, Victor Fontaine, Karl Michaely, Paul Rihm und Max Ziegert zum 100. Geburtstag, Museum Galerie Ludwig und Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Saarlouis, bis 3. Dezember 2023

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