15. November 2023

Kreative Erfahrungen in Weimar

Die HBKsaar stellt das Experimentallabor der Bauhaus-Universität aus Weimar vor.

Wenn man Bauhaus hört, dann denkt man vor allem an das Staatliche Bauhaus in der Zeit zwischen 1919und 1933, als die Kunstakademie mit ihren avangardistsichen Ideen in Kunst und Architektur zu Weltruhm gelangte. Mit dem Ende des Bauhauses bestand die Universität fort und war in der DDR vor allem Architekturhochschule. Nach der Wende wurde 1993 auch wieder eine Fakultät für Gestaltung gegründet. Gründungsdekan der Fakultät war ein im Saarland Altbekannter: Lucius Burckhardt. Der Schweizer Soziologe saß zuvor im Gründungsbeirat der HBKsaar und war maßgeblich an modernen Ideen zur Didaktik an Kunsthochschulen beteiligt.

Burckhardt ist die verbindende Klammer zwischen den beiden Hochschulen, man kennt sich und schätzt sich schon lange. Der Unterricht ist hier, wie in Weimar, projektorientiert, auf Unterricht in Klassen wird verzichtet. Zu diesen Projekten in Thüringen gehört auch der „Space for Visual Research“, den Grafikdesign-Professor Markus Weisbeck 2013 an der Universität in Weimar gründete und der nun einige studentische Arbeiten in der Galerie der HBKsaar vorstellt.

Im „Raum für visuelle Forschung“, wie man ihn wohl übersetzen müsste, steht den Studierenden des Grafikdesigns ein Materialpool zur Verfügung, mit dem sie arbeiten können. Die Anzahl der Gegenstände ist nicht klein, aber begrenzt: Klemmen, Stative, Folien, Holzformen und viel weiteres Nützliches. Diese Gegenstände können die Studierenden nutzen, um gegenstandslose und konzeptuelle Kunst zu entwickeln. Dabei geht es nicht um formvollendetes Design, sondern um die Erprobung visueller Kreativität. Es soll die angehenden Grafikdesignerinnen und -designer ermutigen, für sich Lösungen für die Herausforderungen des Designs kreativ zu erarbeiten.

Die Ausstellung ist schön konzipiert. Im Zentrum steht ein Labor, das an eine Raumstation erinnert. Darum herum werden Arbeitsbeispiele der Studierenden gezeigt. Den Reiz entwickeln die Arbeiten einem begrenzen Materialaufwand, mit dem sie individuell sehr unterschiedlich umgehen und ein breites Spektrum an Kunst entstehen lassen.

Der Universität geht es um das Sehen und Erfahren von visueller Kultur aus wissenschaftlicher Sicht. Das erinnert an Oskar Hohlwecks Grundlehre, wo mit Sehen, Erfahren und der Variation seriellen Arbeitens experimentiert wurde. Zwei Bücher sind inzwischen entstanden, welche die Experimente der Studierenden dokumentieren. Beeindruckend ist die Qualität der ausgestellten Arbeiten, die meist in Posterform präsentiert werden, wie es in der Wissenschaft üblich ist. Philotheus Nisch arbeitete 2017 drei Wochen mit reflektierenden Oberflächen, die er direkt auf Fotopapier festhielt. Entstanden sind abstrakte Farbflächen, die an Gebirgslandschaften erinnern.

Bewusst intendierte Gestaltung und Zufall bilden in den Arbeiten immer wieder eine Kombination. So ließ Johannes Siebler über eine medizinische Beatmungsmaske großblasigen, von Tinte durchschwärztem Schaum entstehen und auf Papier fallen. So entstehen dauerhafte „Abdrücke“ des Schaums. Der Titel „Schaumpilz“ erinnert an ein Phänomen, das bei Leichen am Mund auftritt, wenn Menschen durch Ertrinken gestorben sind. Bei Siebler entstehen ästhetisch reizvolle Konglomerate von Kreisen und Strukturen, die an Organisches erinnern. Hier bedauert man, dass keine Originale zu sehen sind. 

Yun Kuo nutzte 2022 Pflanzen, die sich im Wind bewegen, zur Generierung von Bildern. Robin Weissenborn, Samuel Solazzo und Jakob Tress verschmelzen unter großer Hitze eine alte Offset-Druckplatte mit Metallfolie und nutzen sie als Zerrspiegel. Christian Krüger baute ein Doppelpendel und hielt dessen chaotische Bewegungen auf unterschiedliche Art und Weise fest.

Tamara Knapps Masterarbeit beschäftigte sich 2020 mit der Frage, wie man Zeit darstellen kann. Sie arbeitete das Buch „Philosophie der Dauer“ von Henri Bergson durch, das kein geringerer als Gilles Deleuze herausgegeben hat. Die Studentin ersann Ideen, wie sich die Ansätze des Buches darstellen lassen und schuf so eine grafisch-künstlerische Umsetzung des Themas „Zeit“, die als Illustration des Buches wunderbar geeignet wäre.

Apropos Buch: Es empfiehlt sich unbedingt, in den beiden Büchern zu blättern. Nicht nur, um die Ausstellung besser zu verstehen und zusätzliche Beispiele der Arbeiten zu finden, sondern auch, um in den hervorragenden Texten zu schmökern.

Space für visual Research, Galerie der HBKsaar, Saarbrücken, bis 21. November 2023

Öffnungszeiten: Dienstag, 14 bis 18 Uhr; Mittwoch bis Samstag 17 bis 20 Uhr.

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