Sigurd Rompza, "auch streifen", 1985-2020/2, Acrylfarbe und Lack auf Aluminium (5 Exemplare)
Sigurd Rompza, "auch streifen", 1985-2020/2, Acrylfarbe und Lack auf Aluminium (5 Exemplare)
14. April 2023

Sensuelle Seherlebnisse

Das Institut für aktuelle Kunst im Saarland widmet dem renommierten Vertreter der Konkreten Kunst Sigurd Rompza eine Einzelausstellung. Ein Meisterstück.

Es gibt Ausstellungen, die schenken selbst dem erfahrenen Kunstkritiker noch Glücksmomente. Eine solche Schau ist zweifellos „Sigurd Rompza. Sehstücke 1983–2022“ im Institut für aktuelle Kunst des Saarlandes. Endlich ehrt damit eine saarländische Kunstinstitution wieder einen großen Vertreter der Konkreten Kunst im Saarland mit einer Einzelausstellung. Dabei gehört Rompza zu den international wichtigsten Vertretern der Konkreten Kunst und doch ist die letzte Einzelausstellung im Saarland nun 13 Jahre her.

In Saarlouis zeigt Rompza einen knappen Überblick über sein Werk. Gemeinsam mit Kurator und Institutsleiter Andreas Bayer hat er einen Ausstellungsparcours erdacht, der mit 27 Arbeiten 40 Jahre künstlerische Tätigkeit umspannt. Die wunderbare Schau ist aber nicht streng chronologisch aufgebaut, sondern als Seherlebnis konzipiert.

Rompza hatte zunächst an der Pädagogischen Hochschule des Saarlandes studiert und autodidaktisch gearbeitet, bis er sich entschloss, bei Raimer Jochims an der Städelschule in Frankfurt am Main vorzusprechen. Der bescheinigte dem jungen Studenten, dass er ihm malerisch nur noch wenig beibringen könne. Doch Rompza war gar nicht so sehr auf eine künstlerische Ausbildung erpicht, er wollte in die Gedankenwelt des herausragenden Kunsttheoretikers Jochims eintauchen. Bis heute prägt das Rompza. Wie kaum ein zweiter arbeitet er immer auch kunsttheoretisch und schafft die intellektuellen Grundlagen für seine künstlerische Arbeit. Gerade erschien seine Heftreihe „Reflexionen“ in Buchform. 

Angefangen hatte Rompza in den 1970er Jahren mit weißen Reliefarbeiten: „Mich interessierte das Malerische am Relief,“ erzählt Rompza. Die drei ausgestellten „Stegreliefs“ sind Ausgangspunkt für die späteren Entwicklungen. Je nach Betrachtungsbewegung und den Lichtverhältnissen im Raum changieren die Arbeiten in ihrer Erscheinung zwischen räumlich-reliefhafter oder bildhaft-malerischer Anmutung. Die flachen, dünnen Stege wurden nicht zufällig aufgebracht, sondern entstanden nach mathematischen Algorithmen, so wie es die Konkrete Kunst fordert. Die entstand ab 1930 als Gegenbewegung zu den emotional aufgeladenen Stilrichtungen jener Jahre. Die Protagonisten befreiten sich vom subjektiven Inhalt und setzt auf wissenschaftlich-analytisch fundierte Grundsätze. 

Doch Rompza genügt das bald nicht mehr: „Ich wollte nicht bis an das Ende meiner Tage weiße Reliefs machen. Außerdem waren viele Vorzeichnungen nötig, die selten funktionierten “, so Rompza und fügt an: „Deshalb beschloss ich, die Elemente von der Trägerplatte zu nehmen.“ Ab Mitte der 1980er Jahre entstanden geometrische Objekte an Wänden, die sich durch Farbe, Form, Licht und den Bezugspunkt des Betrachters stetig wandeln und in Bewegung zu sein scheinen: „Wichtig war mir, dass das Werk aus jedem Blickwinkel richtig ist und funktioniert. Man kann die Dinge von unterschiedlichen Seiten anschauen und gewinnt immer wieder eine neue Erkenntnis. Und das an nur einem Objekt!“ Seine Arbeiten sind stetes Forschen nach Erkenntnisgewinn. Die streng mathematische Herangehensweise gab er auf, aber auch intuitives Arbeiten lehnte er ab: „Intuition setzt Erfahrung voraus, die man im Kunstwerk aufnimmt. Mir ging es aber um sensuellen Erkenntnisgewinn. Den bekomme ich nur, wenn ich mich auf unbekanntes Terrain wage.“

Seine flachen Reliefs wuchsen als Objekte von der Wand in den Raum. Es entstanden übereinanderliegende geometrische Grundformen aus Aluminiumrundstäben, die Rompza zurechtbog. Vorzeichnungen gab es nicht mehr, Rompza fertigte kleinere Studien und experimentierte bis es passte. Farben spielten dabei eine bedeutende Rolle. Durch die Einfärbung der Stäbe an gegenüberliegenden Stellen entstehen scheinbar Flächen. Mit Rot und Gelb betont er in den Raum strebende Formen, mit Blau oder Schwarz verstärkt er flache Partien, die an die an der Wand gesaugt werden. Die Farbe ist nie dekorativ, sondern hat immer eine Funktion. Licht und Schattenspiel tun ein Übriges und machen das Formenspiel noch üppiger. Das Auge ist verwirrt und muss sehr genau erfassen.

Und Rompza ging den Weg kontinuierlich weiter. Seine Arbeiten wurden formal einfacher, fordern das Sehen aber immer intensiver. Es entstanden die „Farb-Licht-Modellierungen“: „Ich wollte untersuchen und aufzeigen, was Farbe und Linie im Relief machen. Die Farbe verstärkte die plastische Wirkung,“ erzählt Rompza. Er schuf Reliefs mit linearen Graten und streng sich abgrenzen Farbflächen. Licht- und Schattenseiten des Reliefs bringen je nach Ausleuchtung und Betrachtungswinkel dieselbe Farbe anders zur Geltung und lassen sie sogar auf die Wand übergreifen. Der Reliefgrad entfaltet die gleiche Wirkung wie die Farbgrenze. In anderen Arbeiten untersucht Rompza die Farbwirkung auf die Form, aber auch den Einfluss von Licht, das die Farbwirkung verändert: „Auch hier geht es mir um malerische Komponenten ohne einen malerischen Anspruch“, fügt Rompza an.

In seinen neuen Arbeiten geht der Künstler zurück an den Ursprung der Zeichnung: Linie und Fläche. Doch die Form ist allgegenwärtig. Rompza malt eine Linie auf ein Din A4-Blatt und schneidet eine Form aus der Fläche, die auf die Linie eingeht. Manchmal geht er auch den umgekehrten Weg. Form, Fläche und Linie stehen in einem engen Bezugsverhältnis und narren das Auge immer wieder.

„sigurd rompza. sehstücke 1983-2022“, Institut für aktuelle Kunst im Saarland, Saarlouis, bis 28. Mai 2023

Öffnungszeiten DI bis FR 10-17 Uhr, SO 14-18 Uhr

Am Mittwoch 10. Mai 2023 findet um 19 Uhr ein Künstlergespräch statt.

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