Ausstellungsansicht „The World of Music Video“ in der Gebläsehalle, Weltkulturerbe Völklinger Hütte, Foto: Tom Gundelwein/Weltkulturerbe Völklinger Hütte
Ausstellungsansicht „The World of Music Video“ in der Gebläsehalle, Weltkulturerbe Völklinger Hütte, Foto: Tom Gundelwein/Weltkulturerbe Völklinger Hütte
1. Februar 2022

Überall Musik

Das Weltkultuerbe Völklinger Hütte entführt uns in die Welt der Musikvideos

Schon der Beginn der Ausstellung ist imposant. Wer über die Treppe in das Ausstellungsgeschoss der Gebläsehalle gelangt, wird von Billie Eilishs „Bad Boy“ auf einer riesigen Projektionsleinwand empfangen. Blickt man sich dann um, flirrt es überall in der Halle. Auf 62 Großleinwänden und 22 Monitoren breitet Kurator und Hüttenchef Ralf Beil die ganze Welt der Musikvideos aus.

Die Ausstellung will die Welt des Genres abbilden, wie der Ausstellungstitel verspricht. Beil und sein Team haben das Besondere gesucht und gefahndet nach Originellem, Packendem, Witzigem und Schrillem, nach frühen Meisterwerken und aktuellen Höhepunkten. Dass die Clips entstanden sind, um den Verkauf von Produkten anzuheizen, hält er für verschmerzbar: „Es gibt keinen Widerspruch zwischen Kunst und Kommerz“, meint Beil. 

Das älteste Stück ist eine Werbung und entstand im Jahr 1936 in England. „Rainbow Dance“ von Len Lye ist aber so meisterlich gemacht, dass es aus den 1960er Jahren stammen könnte: quietschbunt, mit Solarisations- und Überblendeffekten. Und erst am Schluss erkennt man, das es sich um eine Werbung der britischen Post handelt. Daneben laufen Musikvideos von Künstlern wie Yoko Ono und Jospeh Beuys (ein Highlight: „Sonne statt Reagan“). Das erste wirkliche kommerzielle Musikvideo war wohl Queens „Bohemian Rhapsody“. Direkt daneben zeigt die Völklinger Hütte Deichkinds „Keine Party“, in dem Lars Eidinger durch Berlin tanzt, stampft und hüpft. Damit dass keine Kakophonie aus 84 Musikstücken wird, bekommen die Besucher:innen Audioguides, die automatisch starten, wenn man vor den Leinwänden steht.

Mit dem Aufkommen der Musiksender MTV und Viva wurden Musikvideos Teil der Gegenwartskultur und der Unterhaltungsindustrie. In ihnen Verschmelzen Musik, Tanz und Film und erzählen nicht selten von den großen Fragen der Menschheit. Auffällig ist, wie sehr viele Videos unsere Lebenswirklichkeit abbilden: Die Gewalt in den Banlieus, Kriege in Europa, Straßengangs in den Vereinigten Staaten. Dazwischen zitieren die Musiker immer wieder die bildende Kunst. Legendär der Dreh von The Carters im Louvre. In dem Musikvideo zu „Apeshit“ wechseln die Posen der Musiker mit denen der Figuren in den alten Schinken an den Wänden.  Meisterhaft auch das Video zu „Spokes for the Wheel of Torment“ von Buckethead, in dem die Gruppe ein Hieronymus-Bosch-Gemälde zum Leben erweckt.

Natürlich dürfen die Meister des Genres nicht fehlen: Chris Cunningham und Spike Lee sind mehrfach vertreten. Cunningham etwa lässt Björk in „All is full of love“ als Roboter lebendig werden, Spike Lee lässt die junge Sophia Coppola als ehrgeizige Bodenturnerin in „Elektrobank“ von den Chemical Brothers die Gegnerin in Grund und Boden turnen. Grandios auch die Schauspielerin Margaret Qualley, die für Kenzo Worldin einem dreieinhalbminütigen Video von Spike Jonze. Grandios aber auch Weval, deren Video zu „Someday“ ästhetisch derart reizvoll ist, dass es genauso gut als Videokunst durchgeht – insbesondere in der Präsentation, denn Beil lässt das Video auf einer Großleinwand in Draufsicht laufen.

Langweilig wird es inder Ausstellung nie. Selbst wenn nicht jedes der 84 Musikvbideos den eigenen Musikgeschmack trifft, sind sie immer sehenswert. Die rein subjektive Auswahl der Kurator:innen ist eher Stärke denn Nachteil der Schau, denn es animiert zum Nachdenken: Was hätte ich ausgewählt?

Der heimliche Star der Ausstellung ist aber der Ausstellungsort selbst. Befreit von Einbauten und Teppichen erstrahlt die Gebläsehalle wieder in altem Glanz. Die Maschinenhalle hat nun wieder ihre kathedralenhaftes Erscheinungsbild, die mächtigen Maschinen werden zum Teil der Ausstellung. Gekonnt spielt Beil mit der Architektur. Die anzüglicheren Videos „verschwinden“ in Schächten und sind dem schweifenden Blick entzogen, erstmals wurde eine Treppe zum Untergrundgeschoss der Halle geöffnet und ist nun zugänglich.  

The World of Music Video, Weltkulturerbe Völklinger Hütte, Völklingen, bis 16. Oktober 2022

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