Das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean (kurz MUDAM) in Luxemburg und die Moderne Galerie in Saarbrücken könnten unterschiedlicher kaum sein. Das Luxemburger Museum ist ein moderner lichtdurchfluteter Bau, der zum Kunstschauen einlädt. Daneben wirkt die Moderne Galerie wie ein dunkler Kunstbunker. Und doch ist es gerade das MUDAM, das in der Ausstellung „Face á Face“ beweist, welche Stärken das saarländische Museum hat, nämlich seine außergewöhnlich reiche Sammlung. Die hat auch das Luxemburger Haus, allerdings beschränkt man sich dort auf aktuelle Kunst, während in Saarbrücken vor allem die klassische Moderne vertreten ist.
Beide Museen kündigen einen intensiven Dialog ein. Die Moderne Galerie zeigt Arbeiten aus Luxemburg, das MUDAM darf Werke aus der Saarbrücker Sammlung zeigen. Gleich zwei seiner schönsten Galerieräume im Erdgeschoss hat das Luxemburger Museum für die Ausstellung reserviert. Um es gleich vorwegzunehmen: eine großartige Ausstellung, deren Besuch sich wirklich lohnt, auch wenn man sich manchmal etwas mehr Mut gewünscht hätte. Das MUDAM setzt in seiner Schau die klassische Moderne in Bezug zur eigenen Sammlung, geht aber manchmal etwas zu ehrfürchtig mit den Saarbrücker Werken um und das geht manchmal schief. So hängt Otto Pienes „Black Sun“ von 1954 neben Janaina Tschäpes farbenfrohem Aquarell „Tristes Tropiques II“ von 2005. Die schwarze Scheibe von Piene leuchtet vor einem intensiven Rot und erdrückt Tschäpe. Auch wenn beide Arbeiten mit Licht, Raum und Farbe spielen, funktioniert der Dialog nicht. Ansonsten ist die Schau aber durchaus intelligent komponiert. Allzu bekannte Preziosen wie Franz Marcs „blaues Pferdchen“ haben die Luxemburger Kuratorinnen Marie-Noëlle Farcy und Vanessa Lecomte nicht genommen, was den Anspruch nach einer Ausstellung beweist, die nicht einfach ein „Best of Saarbrücken“ sein sollte.
Als große thematische Klammer wählte man den menschlichen Körper in all seinen Erscheinungsformen. Ein dankbares Thema. Im ersten Raum noch stringent in Szene gesetzt, entgleitet das Leitmotiv im zweiten Raum etwas, was der Ausstellung aber keinen Abbruch tut.
Los geht es mit Rudolf Bellings expressionistischer „Tänzerin“ aus Saarbrücken, die im Dialog mit Silke Otto-Knapps „Group (Moving)“ erstaunlich modern wirkt. Die ähnliche Handhaltung der tänzelnden Figuren in sehr unterschiedlichen Kontexten ist sofort auffällig. Direkt daneben Archipenkos Bronze-Plastik „Der Tanz“ aus den Jahren 1912/13. Recht beschwingt geht es durch die schöne Ausstellungs-Architektur. Mal entsteht der Werkdialog durch das Thema, dann durch die Form, ein anderes Mal durch das Material oder die Farbe, etwa wenn die Kuratoren Renoirs schwarzes Bronze-Relief „Urteil des Paris“ von 1914 neben Edward Lipskis „God Stack“ hängt. Während die Bronze ein klassisches Thema der griechischen Mythologie aufgreift, hat Lipski eine kitschig-bunte chinesische Keramikfigur weitgehend unkenntlich gemacht, indem über ihre Schultern und ihren Kopf eine schlackenartige schwarze Masse getürmt hat, die sich bei näherem Hinsehen als Konglomerat aus zahllosen Wesen der chinesischen Götterwelt entpuppt. Zeichnungen von Otto Dix und George Grosz rahmen die Ausstellungsmacher mit einem Animationsvideo von Andrea Mastrovito und einer Serie von sieben Holzkohlezeichnungen des Bulgaren Nedko Solakov von 1987.
Immer wieder entstehen Echos der Moderne in der zeitgenössischen Kunst, etwa bei Tobias Putrih oder François Roche, die in ihrem bildhauerischen Werk surrealistische Ideen aufgreifen. Auch im zweiten Raum blitzen immer wieder wunderbare Dialoge auf. Da hängen etwa mehrere serielle Fotografien von Monika von Boch neben Lee Bul, die mit „Untitled (Infinity partition)“ Raum und Serialität über Licht und Spiegel vortäuscht. Genial auch die Gegenüberstellung László Moholy-Nagys geometrisch-abstrakter Zeichnungen, in der sich verschiedene Ebenen durchdringen, mit Alicja Kwades Installation, in der ein Stein in einer Scheibe steckt und mit der Scheibe scheinbar mühelos austariert auf einem Sockel ruht.
Es ist eine spannende Ausstellung geworden, die Luxemburg da präsentiert. Es macht viel Spaß durch die Räume zu flanieren und die Saarbrücker Werke in neuem Kontext zu sehen, aber auch manch neue Entdeckung zu machen.
Face à Face, bis 2. April 2023, MUDAM Luxemburg
Öffnungszeiten Mo, Do bis SO 10 – 18 Uhr, MI 10 – 22 Uhr, DI geschlossen