Julia Benz und Heiko Zahlmamnn, Foto: KEST Gallery/Chris Schuff
Julia Benz und Heiko Zahlmamnn, Foto: KEST Gallery/Chris Schuff
27. September 2024

Fenster zur Farbe

Die St. Ingberter Galerie Kvest zeigt eine außergewöhnliche Zusammenarbeit der Urban-Art-Künstler Julia Benz und Heiko Zahlmann.

Die Galerie Kvest ist wieder da. Eigentlich war sie nie weg, wie Galerist Patrick Jungfleisch betont. Seit der letzten Ausstellung im Juni 2022 habe man sich stark auf das Auslandsgeschäft und den Kunsthandel konzentriert, nun komme man aber mit neuen Ausstellungen zurück. Und Jungfleisch startet furios. Die gerade angelaufene Ausstellung vereint mit Julia Benz und Heiko Zahlmann zwei sehr unterschiedliche Künstler.

Zahlmann gehört längst zu den arrivierten Urban-Art-Künstlern in Deutschland und schwelgt in Weiß. Die Betonplastiken der letzten Jahre sind einem neuen und leichteren Werkstoff gewichen, ihr Äußeres haben sie aber beibehalten. 

Der Hamburger Künstler verschränkt rechteckige Formen ineinander, kombiniert sie, lässt sie gegeneinander antreten oder miteinander verschmelzen. Die Werke sind handwerklich perfekt ausgearbeitet und kaum von seinen Betonplastiken zu unterscheiden. Erst beim Anheben merkt man, dass die Werke nicht aus dem schweren Material sind. Zahlmanns Arbeiten sind ein ausgeklügeltes Spiel von Licht und Schatten, von Form und Raum. Man kann nur erahnen, wie viel Zeit der Künstler aufwenden muss, um die Oberflächen so perfekt hinzubekommen. Sie sind außen glatt und an den inneren Flächen rau wie Beton. 

Daneben stehen die Arbeiten von Julia Benz. Die Künstlerin studierte an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Universität der Künste in Berlin, wo sie auch Meisterschülerin von Burkhard Held war. Und sie ist eines der großen Talente der Urban Art, steht geradezu sinnbildlich für eine neue Künstlergeneration des Genres: jung, weiblich und hochbegabt, pflegt sie einen völlig unbekümmerten Umgang mit der Farbe.

Wie großartig Benz wirklich ist, zeigt die Ausstellung in der St. Ingberter Galerie recht schnell. Beim Betreten des Raumes stößt man auf farbintensive, abstrakte Leinwände. Ausgangspunkte sind ausgeklügelter Hintergründe aus schillernden Farbnebeln, manchmal erkennbar sind Arbeitsspuren oder Brüche in der Form, die scheinbar zufällig auf dem Grund verewigt scheinen. Linien krakeln durchs Bild, Farbe kumuliert in dickeren Linien, hauchfein gesprühte Farbspots suggerieren Tiefe.

Auf diese Ebene wurde eine zweite aufgebracht, die den Eindruck hinterlässt, hier sei die Farbe mit dem Pinsel nicht aufgetragen, sondern in gestisch-dynamischem Schwung weggepinselt worden. Da dies so gezielt und scharf nicht möglich ist und die Künstlerin die Technik nicht offenlegt, muss man spekulieren. Eine Möglichkeit ist, dass Benz eine Maskierflüssigkeit aufgepinselt und -gespritzt hat. Das ist meist flüssiger Latex, mit dem man Stellen auf der Leinwand abdeckt, sodass dort keine Farbe haften kann. Die Leinwand wird dann bemalt und die Maskierung anschließend wieder weggerubbelt. Wie auch immer Benz das so perfekt hinbekommt, die Wirkung ist außerordentlich und in dieser Form nahezu einzigartig. Hintergrund und Vordergrund? Kaum noch auszumachen.

Benz und Zahlmann haben auch einige Werke zusammenerstellt. Benz hat die Leinwände bemalt, Zahlmann arbeitete skulptural und ließ geometrische Formen aus dem Rahmen über das Bild wachsen. Fast hat es den Anschein, als habe er ein Fenster in die Welt von Julia Benz geöffnet. 

„We fade to grey“, bis 10. November 2024, Kvest Gallery, Beckerturm St. Ingbert, Termine nach Vereinbarung

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