Marc Chagall: Das Heiligtum, Folge „Exodus“, Bl. 24, 1966, Foto: Raphael Maaß, VG Bild-Kunst, Bonn 2024
Marc Chagall: Das Heiligtum, Folge „Exodus“, Bl. 24, 1966, Foto: Raphael Maaß, VG Bild-Kunst, Bonn 2024
14. Februar 2025

Herausragende Grafik von Chagall

Die Moderne Galerie zeigt Grafiken mit Bibelmotiven von Marc Chagall.

Marc Chagall gehört nicht nur zu den bekanntesten, sondern auch zu den beliebtesten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Das dürfte an den märchenhaften Bildgeschichten liegen, die der Künstler in kräftigen Farben fast schon lyrisch auf Papier und Leinwand bringt. Das Saarlandmuseum besitzt mehr als 500 Werke des französisch-russischen Künstlers, gut ein Drittel sind biblischen Themen gewidmet. Da lag es nahe, die Ausstellung „Marc Chagall. Die Heilige Schrift“ zu organisieren, die nun 120 Grafiken präsentiert. 

Die Bibel galt dem Künstler nach eigenem Bekunden als „reichste poetische Quelle aller Zeiten“, die ihn von früher Kindheit an inspirierte. Dabei konzentriert sich Chagall auf das Alte Testament, die Hebräische Bibel. Losgelöst von konfessionsgebundenen Darstellungstraditionen, erscheint die Heilige Schrift bei Chagall als Sammlung menschlicher Schicksale, die er mit Phantasmen, autobiographischen Erlebnissen und sakralen Motiven zu einem einzigartigen Bildkosmos vereint.

Schon im Jahr 1930 begann Chagall, die gesamte jüdische Bibel im Rahmen eines Projekts für den Pariser Verleger und Kunsthändler Ambroise Vollard zu illustrieren. Dafür reiste er 1931 eigens nach Palästina, um sich von Land, Leuten und Orten inspirieren zu lassen. Aufgrund der Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs und seiner eigenen Flucht vor den Deutschen von Frankreich in die Vereinigten Staaten konnte er dieses Projekt jedoch erst 1956 beenden. In den ausdrucksstarken Radierungen findet der Künstler vielfach zu ungewöhnlichen Interpretationen der biblischen Sujets in Schwarz-Weiß.

In den 1950er Jahren gewann die Auseinandersetzung mit der Bibel breiteren Raum in Chagalls Schaffen. Parallel zu den letzten Radierplatten für das Vollard-Projekt gestaltet der knapp Siebzigjährige unter anderem zwei farbenfrohe Lithografie-Serien, die jeweils als Doppelausgabe der Kunst- und Literaturzeitschrift Verve erscheinen. Ein Exemplar dieser berühmten „Verve-Bibel“ von 1956 ist in der Ausstellung zu sehen.

Die Folge besticht durch ihre leuchtenden Farbzonen und ihre große formale Freiheit. In zahlreichen Variationen verbildlichte Chagall die Schöpfungsgeschichte, die Erzählung um Moses und die biblischen Könige. Die Blätter ergänzen und erweitern thematisch die Radierungen, wie man im letzten Kabinett eindrucksvoll sieht.

Der Künstler übertrug 17 seiner früheren Schwarz-Weiß-Radierungen zum Exodus, der Geschichte vom Auszug des Volks Israels aus Ägypten, in Farblithographien. Der direkte Vergleich beider Zyklen lädt dazu ein, die Parallelen und Unterschiede in Bearbeitung und Komposition zu entdecken und Chagalls künstlerische Entwicklung nachzuvollziehen.

In den Jahren 1958 und 1959 beschäftigt sich Chagall zusätzlich mit Erzählungen, die bisher keinen Eingang in seine Graphiken gefunden hatten. Dabei stellte vielfach die biblischen Frauen in den Mittelpunkt. Offensichtlich war es dem Künstler ein Anliegen, der „männlichen“ Bibel eine weibliche Erzählung hinzuzufügen und auch Frauenfiguren künstlerisch zu deuten. Die Blätter mit Themen rund um Sarah, Ruth und Esther zeichnen sich durch eine besonders erzählfreudige Ausarbeitung und eine sensible Farbstimmung aus.

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