Jaeyun Moon, Werke aus reiner Farbe
Jaeyun Moon, Werke aus reiner Farbe
27. Februar 2023

Flirrende Bilder aus reiner Farbe

Das Saarländische Künstlerhaus zeigt eine aufregende Ausstellung mit Werken von Jaeyun Moon und eine Installation von Jochen Follmar.

Mit wuchtigen, kurzen Gesten scheint Jaeyun Moon die Farbe auf die Leinwand gebracht zu haben und farbintensive Abstraktionen entstehen zu lassen. Betrachtet man ihre Arbeiten aber näher, stellt man schnell fest, dass der Eindruck täuscht.

In der Ausstellung „vicissitude“ (dt. Wandel oder Unbeständigkeit) im Saarländischen Künstlerhaus zeigt Jaeyun Moon nun in ihrer ersten großen Einzelausstellung Arbeiten aus den Jahren 2019 bis 2023 und gewährt einen tiefen Einblick in ihren Bilderkosmos.

Moon studierte Freie Kunst an der Chung-Ang-Universität in Korea, dann Kunstgeschichte in Düsseldorf. Anschließend kam sie nach Saarbrücken und studierte Freie Kunst an der Hochschule der bildenden Künste und war dort bis 2020 Meisterschülerin bei Katherina Hinsberg. Bekannt ist sie vor allem seit ihrem Atelierstipendium im Kulturzentrum am Eurobahnhof, wo sie sich mit Luise Talbot in einer Abschlussausstellung präsentieren konnte.

Über viele Monate trägt die Künstlerin in einem aufwendigen Prozess Farbschicht um Farbschicht auf die Leinwand auf. Sie entscheidet nach Tagesform, welche Farbe sie nimmt und wie sie diese aufträgt. In den Schichtungen bleiben dicke Farbaufträge sichtbar als Wellen oder Linien. Manchmal sind es auch nur kleine Farbhügel, die punktuell gesetzt sind.

Irgendwann entscheidet sie, dass die letzte Schicht aufgetragen ist und beginnt mit Messern die Farbe unterschiedlich tief in Linien abzutragen. So werden scheinbar zweidimensionale Bilder zu Reliefen. Die feinen Furchen und Kratzer geben die Sicht auf die darunterliegenden Schichten frei. Wie eine Archäologin legt die Künstlerin die Geschichte der Gemälde frei und lässt die Farbe gewordene Momente, Gefühle und Erinnerungen zu einer persönlichen Gesamtsicht der vergangenen Monate verschmelzen.

Moons Bildwelten entstehen als abstrakte Werke und sollen erst im Auge des Betrachters Assoziationen wecken. Sie hat kein Bild vor Augen, wenn sie an einem Werk arbeitet, trotzdem entstehen ihre Arbeiten in kontrollierten Schritten. Jede Linie wird geplant, überdacht und ausgeführt. Der Zufall spielt zwar eine Rolle, bestimmt das Werk aber nicht. 

Auffällig ist der Wandel in der Bildauffassung. Anfangs zerfurchte Jaeyun Moon die komplette Bildfläche in meist vertikalen Linien und ließ nur sehr wenig der obersten Schicht stehen. So entstanden flirrende Bildflächen aus Farbe, die aus der Ferne zu einem Sujet verschmelzen. Seit dem vergangenen Jahr reduziert die Künstlerin die Entfernung der obersten Farbschicht und fragmentiert die Reliefierung stärker. Dabei werden die Bilder aber nicht weniger rätselhaft. Nun ist es aber nicht mehr allein die Farbe, die den Bildinhalt bestimmt, auch die Form spielt bei der Betrachtung eine größere Rolle. Und sie wird mutiger: Die Leinwände wuchs in den letzten Monaten vom kleineren in ein Mittelformat. Allerdings werden die Bilder schwerer lesbar und die Assoziationen drängen sich nicht mehr auf. Meinte man zuvor Landschaften zu erkennen, kann sich das Auge nun an nichts mehr wirklich festhalten und sucht nach Inhalt. Da ist nichts mehr außer Farbe.

Im Studio des Künstlerhauses präsentiert Jochen Follmar zum Abschluss seines einjährigen Atelierstipendiums die raumfüllende Installation „Cluster“. Der Raum sieht auf den ersten Blick aus wie ein Atelier. Überall steht etwas, Konzeptzeichnungen und Gussformen lagern in einer Ecke, eine Projektion fesselt das Auge kurz, dann ist es ein Monitor, der in einem eigens konstruierten Möbel steht. Erst langsam erschließt sich, was man da alles sieht, und versteht den Kosmos von Follmar. Im Zentrum steht ein Feld aus polygonalen Betonplastiken mit pastellfarbenen Flächen. Um diese Objekte herum hinterfragt Follmar die Bildhauerei und setzt sie neben dem realen auch in den digitalen Raum. So verschränkt er bildhauerische Objekte mit Bildräumen, mit realem und digitalem Raum und stellt Übergänge verschiedener Darstellungsebenen und Zustandsformen gegenüber. So spannend diese Idee auch ist, der Raum wirkt etwas überladen mit Ideen und dürfte so machen Besucher überfordern. Etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche wäre vielleicht besser gewesen. Nichtsdestotrotz überzeugt die Arbeit in ihrer Komplexität und macht Spaß, gerade weil man so viel entdecken kann. Man muss sich darauf aber einlassen. 

„Jaeyun Moon – vicissitude“ und „Jochen Follmar – cluster“, bis 12. März 2023, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr

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