Ausstellungsansicht, Foto: Saarländisches Künstlerhaus
Ausstellungsansicht, Foto: Saarländisches Künstlerhaus
30. März 2024

Anders als es scheint

Das Saarländische Künstlerhaus zeigt mit Nina Laaf und Moritz Frei zwei junge deutsche Positionen zur Kunst, die kaum unterschiedlicher sein könnten.

Karl Valentin hat einmal gesagt: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Das gilt nicht nur für die Kunstschaffenden, sondern auch für die Betrachtenden. Die aktuellen Ausstellungen von Nina Laaf und Moritz Frei im Saarländischen Künstlerhaus ist so ein Fall. Das ist großartige Kunst, aber wenig eingänglich. Man muss also Zeit mitbringen und sich darauf einlassen wollen, sonst hat man wenig Spaß.

Nina Laafs Ausstellung heißt „Flamingos beißen nicht“ und wenn man die erste Galerie des Künstlerhauses betritt, versteht man sofort, warum die Ausstellung diesen Titel trägt. Oder auch nicht. Da liegen ein paar Betonteile auf dem Boden, eine Gardine baumelt von der Decke und von irgendwo dröhnt es aus einem Monitor.

Man beginnt sich im Raum zu bewegen und wird neugierig, schaut dann genauer hin und entdeckt, dass die Dinge anders sind als sie scheinen. Der Raum verändert sich, die Objekte und Installationen ziehen den Betrachter an und dann wird es spannend. Die Betonteile sind keine, es sind Viertelbögen aus Aluminium, auf denen eine Hohlkehle aus Gips sitzt. Sie mäandern durch den Raum.

Die Karlsruher Künstlerin triebt ein endloses Spiel mit dem Material und hinterfragt so unsere Sehgewohnheiten und unsere Wahrnehmung. Hat sich das Auge erst einmal auf dieses Spiel eingelassen, wird man immer neugieriger und geht auf die Suche. Da hängt ein textiler Wulst über einem Nagel an der Wand? Falsch, er ist aus Aluminium. Aus einem Holzbrett wurden die Umrisse einer Palme ausgesägt? Nein, auch hier ist es Aluminium und der große Granitblock, der eine Blume stilisiert, entpuppt sich als Styroporblock.

An der Wand hängt ein Flamingoschnabel oder etwas, was zumindest in der Farbabfolge daran erinnert. „Flamingo“ ist auch der Werktitel. Das Papier, aus dem er ausgeschnitten wurde, wölbt sich in den Raum. Doch auch hier klärt das Beiblatt auf: Es handelt sich um Stahl und nicht um Papier.

Laafs vielfältiger Umgang mit dem Material ist erstaunlich. Die Gardine entpuppt sich als äußerst feines Textil, dessen Titel „Wie durchlässig kann eine Form sein“ die Frage nach dem Material und seiner Transluzenz aufwirft. Wie verändert sich der Raum, wenn ein kaum sichtbarer Vorhang diesen aufteilt? Laaf spielt mit Raum, Volumen und Fläche und zeigt uns ihre Art, Architektur und deren Details wahrzunehmen und fordert auf, es ihr nachzutun.

Betritt man das Studio, erschrickt man erst mal kurz. Da sitzt ein Dobermannwelpe, der eine Hundewindel trägt. Auf den zweiten Blick nimmt man wahr: Es ist nur eine Plastik. Die stammt von dem Berliner Künstler Moritz Frei, der im Studio sein ganzes Panoptikum an Fotografie, Video, Objektkunst und Installationen entfaltet. Noch bevor man den Raum betritt, steht man vor einer Wand mit gerahmten Zetteln. „Zu verschenken“ steht auf den meisten und sie stammen von den Kisten, die man immer häufiger vor Häusern stehen sieht. Dort bieten Menschen ihre entbehrlichen Habseligkeiten zum Mitnehmen an. „Apfel X (Das Ende vom Kapitalismus)“ ist eine gesellschaftskritische Arbeit, mit der Frei aufzeigt, wo unser Konsumrausch endet. Die Pappschilder enthebt er ihrer eigentlichen Funktion und rahmt sie als Kunstwerke. Die Plastikflasche eines Abflussreinigers wird mit Strasssteinen verschönert zum „Flacon“ und der Popcorneimer zur „Tarnkappe“.

Wirklich sehenswert ist das Video im studioblau im Keller des Künstlerhauses. Frei begleitet die in Saarbrücken geborene Schauspielerin Anne Hofmann mit der Kamera durch eine Stadt. Die Schauspielerin ist „Homo Octopussy“, eine tentakelige Kreatur „aus einer spekulativen Zukunft“, die einen Lagebericht des Menschen in unserer Zeit schreiben soll. Das Wesen läuft durch einen dunklen Raum, durch ein verlassenes Kaufhaus und kommt schließlich in der Reihenhaussiedlung in den spontanen Kontakt mit den Menschen, die es zu ihren Wünschen für die Zukunft befragt. 

Und im Video „Letzte Meile“ aus dem Jahr 2023 darf Schauspieler Ingolf Müller-Beck als Postbote ein Paket traktieren. Unschwer erkennbar eine weitere Kritik an den ökologischen und sozialen Umständen, die unsere bunt glitzernde Konsumwelt mit sich bringt. 

Nina Laaf – Flamingos beißen nicht, Moritz Frei – Wie groß ist das Feuer, bis 21. April 2024, Saarländisches Künstlerhaus, Saarbrücken

DI bis SO 10 bis 18 Uhr, der Eintritt ist frei

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